Zum abrupten Abbruch der Scheinbehandlung des Volksbegehrensgesetzentwurfes zur Direkten Demokratie im Gesetzgebungsausschuss

Pressemitteilung der Initiative für mehr Demokratie, 29.11.2011

Macht braucht Kontrolle, nicht Bedienung und die Ohnmacht der Bürgerinnen und Bürger braucht Handlungsfähigkeit, nicht weitere Frustration!

Am vergangenen Freitag haben die SVP-Vertreter Noggler, Schuler, Pichler Rolle, Stirner und Munter im ersten Gesetzgebungsausschuss unerwartet die detaillierte Behandlung des Volksbegehrensgesetzentwurf zur Direkten Demokratie verhindert. Nichtsdestotrotz wird der Volksbegehrensgesetzentwurf im Plenum des Landtages behandelt werden.
Die SVP-Fraktion im Südtiroler Landtag hat sich nicht zum geringst möglichen Respekt gegenüber einer Regelung der Direkten Demokratie durchringen können, die weite Kreise in der Bevölkerung, wahrscheinlich sogar deren Mehrheit teilt. So hatten es die Oppositionsvertreter im Ausschuss gefordert. Die SVP-Fraktion ist sich offensichtlich nicht des Affronts bewusst, den sie sich damit gegenüber den vielen Organisationen leistet, den fast 115.000 Bürgerinnen und Bürgern, die 2009 für den Gesetzentwurf der Initiative für mehr Demokratie gestimmt haben und den 12.600 Bürgerinnen und Bürgern, die diesen Gesetzentwurf jetzt wieder in den Landtag gebracht haben.

Schönfärberisch versucht sie einen eigenen Gesetzentwurf zur Direkten Demokratie umzusetzen, der keine Volksabstimmungen mehr zustande kommen lassen will. Die SVP reduziert Direkte Demokratie damit auf ein reines Anregungsrecht und macht das Stimmrecht unanwendbar. Das Beteiligungsquorum kann sie als Verhinderungsklausel großherzig aufgegeben, weil mit der absurd hohen Einstiegshürde ohnehin keine Volksabstimmung mehr zu fürchten ist. Der SVP ist es mit diesem Gesetzentwurf gelungen, eine Regelung der Direkten Demokratie zu entwerfen, die einzig dazu dienen soll, ihre eigene Macht zu bedienen. Mit diesem Gesetzentwurf reduziert sie die Bürgerinnen und Bürger auf Zuträger von Vorschlägen und Anregungen, um doch letztlich immer alles nach ihren Interessen zurechtzubiegen. Das ist der Umgang, den die SVP ja auch mit der Opposition pflegt. Die pol. Vertretung muss mit ihrer Arbeit die Bürgerinnen und Bürger, nicht umgekehrt die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Vorschlägen die pol. Vertretung überzeugen müssen.

Macht braucht Kontrolle, nicht Bedientwerden und Selbstbedienung. Das Kontrollrecht in Form des bestätigenden Referendums sieht die SVP hingegen gar nicht vor und der Zugriff der Bürgerinnen und Bürger auf die Regelung der Demokratie bleibt, wie die Politikergehälter, vorsorglich zusätzlich noch explizit ausgenommen. Mit dem, was die SVP als große Neuerung anpreist, das sogenannte Zweistufenmodell, macht sie nichts anderes, als die jetzt schon gegebene Möglichkeit der Anregung mittels Volksbegehren zum Zwang werden zu lassen.

Wenn wir die beste aller Regierungen hätten, dann hätte der jetzt von der SVP so scheinheilig gepriesene und so missbrauchte (siehe Flugplatz) Dialog, wie sie ihn mit Direkter Demokratie anregen will, seinen Wert. Direkte Demokratie darf in ihrer Ausbildung und Regelung aber nicht eine aufgeklärte, beteiligende, kritische und lernbereite politische Vertretung voraussetzen. Sie muss im Gegenteil so ausgebildet sein, dass sie gerade unter den schlechtesten Bedingungen wirksam ist, also gerade dann, wenn eine politische Vertretung an der Macht ist, die sich um den Bürgerwillen nicht kümmert. Das einzige, was die italienische Verfassung vor Berlusconi gerettet hat, ist das starke bestätigende Verfassungsreferendum. Direkte Demokratie muss so gestaltet sein, dass die politische Vertretung mit dem Eingreifen der Bürgerinnen und Bürger rechnen muss und sie diese wie ein Damoklesschwert über sich spürt. Nur so könnte tatsächlich langsam eine politische Vertretung zustande kommen, die wirklich fähig ist mit den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Organisationen respektvoll und konstruktiv zusammenzuarbeiten.

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