Dieselabgase schädlich wie Asbest! Stiller Killer Autobahn

Zett, 12.05.2013

Feinstaub, Ozon, Stickoxide – diese unsichtbaren Feinde unserer Gesundheit lauern vor der Haustüre. Wer aber ist dafür verantwortlich? Ein Gespräch mit dem Sterzinger Schadstoff-Forscher Armin Wisthaler.

BOZEN — Feinstaub und Co. bestimmen Armin Wisthalers Leben. Seit zwei Jahren arbeitet der Sterzinger Physiker und Schadstoff—Forscher im Auftrag der Uni Innsbruck und der NASA am norwegischen Institut für Luftforschung. Gestern
präsentierte er seine Erkenntnisse bei der Podiumsdiskussion in Brixen.  

Herr Wisthaler — Hand aufs Herz: Wie sind Sie nach Brixen gekommen?

Annin Wisthaler: Mit dem Auto — und das ohne schlechtes Gewissen. Denn der Personenverkehr ist es nicht, der die schlechte Luft im Wipp- und Eisacktal verursacht.

Wie sehr gelint es Ihnen, als Umweltforscher „naturbewusster“ zu leben?

Ich gehe die Sache anders an. Wenn ich als Einzelmensch „naturbewusst“ lebe, dann löst das kein einziges Umweitproblem. Das Problem der Luftverschmutzung in den Alpentälern könnte dagegen gelöst werden, wenn ich als Naturwissenschaftler die Politik dazu dränge, gewisse Wirtschaftsabläufe zu ändem, um Schäden von der Natur und von den Menschen abzuwenden.

Nun sind in Sachen Luftreinheit von der EU seit 2008 bzw. 2010 genaue Richtlinien vorgegeben. Wie realitätsnah sind diese Grenzwerte?

Grenzwerte werden vom Gesetzgeber festgeschrieben, als ein Kompromiss zwischen dem gesundheitlich Vertretbaren, dem technisch Machbaren und dem wirtschaftlich und politisch Durchsetzbaren. Bei den Stickoxiden ist der Grenzwert nahe an dem, was die Mediziner gefordert haben, weil die Transportbranche glaubte, das Problem durch die Entwicklung neuer Motoren in den Griff zu kriegen. Die Umstellungen auf EURO 3-, 4- und 5-Motoren haben aber nicht das gebracht, was man sich erwartet hat. Und jetzt muss die EU jede Menge Überschreitungen zulassen.

In Südtirol glaubt man, dem Feinstaub und dem Ozon Herr geworden zu sein. Sind Stickoxide nun der neue Feind?

Da muss ich widersprechen: Beim Ozon gibt es einen relativ hohen Grenzwert, der sicher bald nach unten korrigiert werden muss und dann ist das Problem wieder aktuell. Beim Feinstaub wurden lediglich bei den großen Teilchen Verbesserungen erzielt. Die kleinen Teilchen aber gelangen bis in die Lunge und in das Blut und das macht sie umso gefährlicher. Das Stickoxid-Problem lässt sich nur durch eine Reduzierung des Schwerverkehrs auf der Brennerautobahn lösen. Etwas besser wird es aber künftig durch die Umstellung auf EURO-6-Motoren werden.

Stickoxide werden auch geme „stille Killer“ genannt. Was passiert da im menschlichen Körper?

Die Sückoxide sind nicht das eigentliche Problem. Die schweren Lkw—Dieselmotoren erzeugen einen Abgasmix, in dem über 40 giftige Substanzen nachgewiesen wurden. Die Stickoxide sind darunter noch am wenigsten schädlich, aber am einfachsten
messbar. Vergangenes Jahr hat die WHO Dieselabgas als krebserregend bewertet, auf einer Stufe mit dem Asbest! Und auch Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden von Dieselabgas verursacht.

Insbesondere vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz gibt es hierzulande massive Kritik an der „Untätigkeit“ der politischen Verantwortlichen: „Wir haben zwar Grenzwerte, aber wer überwacht diese und was passiert effektiv bei Überschreitungen?“ — Wie sehen Sie das?

Ich denke, das Problem lässt sich nur in Rom, Wien, Berlin und Brüssel lösen. Die Lokalpolitik kann da leider auch wenig machen, weil die Zuständigkeiten fehlen. Das Einzige, was ich der Lokalpolitik ankreide, ist, dass sie sich nicht massiv einbringt und zusätzlich die Öffentlichkeit informiert, sensibilisiert und mobilisiert. Erst durch starken politischen und öffentlichen Druck kann man in Rom vielleicht etwas bewegen. Aber solange die A22 die Säckel des Landes füllt, wird da wenig passieren. Ich wette, dies würde sich schlagartig ändern, wenn die A22—Konzession an eine externe Gesellschaft vergeben würde.

Interview: Johannes Vötter

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