Kapitalismus und Demokratie – ein Widerspruch?

Sonntagsblatt Nr.33-34/2012 – von Ulrich Ladurner

Krise, Krise, Krise: Alles redet von der Krise. Es ist Zeit, mit einigen Mythen über den Kapitalismus aufzuräumen. Der 12. und letzte Teil der Serie befasst sich mit dem Thema ,, Sind Kapitalismus und Demokratie überhaupt vereinbar?“

Der Kapitalismus ist eine Beschleunigungsmaschine. Sie ist süchtig nach Geschwindigkeit. Zögerlichkeit kann den Menschen, die im Kapitalismus leben, teuer zu stehen kommen. Das erleben wir Europäer seit Ausbruch der Eurokrise vor zwei Jahren am eigenen Leib. Wann immer sich das Parlament eines hoch verschuldeten Staates mit Entscheidungen über Sparmaßnahmen Zeit lässt, wird der betreffende Staat sofort von den Märkten ,, bestraft“, indem die Zinsen für geliehenes Geld steigen.,, Es geht nicht schnell genug, es geht nicht weit genug, es geht nicht tief genug!“ – das ist der Schrei des Kapitalismus, der den Stillstand hasst. Immer mehr Profit in immer kürzerer Zeit. Das ist sein Ziel. Das ist seine Wesensbestimmung.

Die Demokratie hingegen liebt die Langsamkeit

Die Demokratie will immerzu reden, die Dinge ausdiskutieren, bis ein Kompromiss gefunden ist. Es kann quälend lange dauern, bis endlich Entscheidungen getroffen werden, doch anders ist Demokratie nicht zu haben. Ihre Wesensbestimmung ist es, Entscheidungen zu treffen und dabei möglichst viele Menschen mit einzubeziehen. Das dauert. Der Kapitalismus gleicht einem mit donnernden Motoren über den Asphalt rasenden Rennwagen, die Demokratie hingegen ist eine gemächlich durch die Landschaft polternde Postkutsche, in deren Inneren ziemlich laut und viel geredet wird. Wie sollen diese beiden zusammenfinden? Geht das überhaupt?

Das ist die Grundfrage, die sich den Europäern mindestens seit Ausbruch der Eurokrise stellt. Sie erleben Tag für Tag, dass das politische System, das ihnen Freiheit und Wohlstand gebracht hat, unter wahnsinnigen Druck gerät. Politiker müssen heute binnen kürzester Zeit Entscheidungen treffen, die für unser aller Leben von größter Tragweite sind, ohne dass sie die Zeit finden, die entsprechenden Unterlagen lesen zu können – geschweige denn zu studieren. Viele verstehen gar nicht, was sie da beschließen.
Das ist nicht ihre Schuld, sondern eine Folge des sich immer schneller drehenden Rades des Kapitalismus. Von Politikern wird heute verlangt, dass sie so schnell sind wie Makler an der Börse. Das ist unnatürlich.

Was kann man tun?

Zuerst einmal sollten wir uns von der Vorstellung lösen, dass wir nichts tun können. Denn die Aufforderung schnell zu entscheiden, geht immer einher mit dem Satz:,, Es gibt dazu keine Alternative!“ Das heißt eigentlich: Denkt lieber gar nicht nach, es gibt nur diesen einen Weg.
Tatsächlich haben sich alle Alternativen, die man zum Kapitalismus entworfen hat, als reinster Horror erwiesen – der Kommunismus zum Beispiel. Wer das System als Ganzes verwerfen will, begibt sich auf eine gefährliche Bahn. Es ist aber möglich, das System zu bändigen. Das ist in der Geschichte des Kapitalismus, die ja nicht viel älter als 500 Jahre ist, immer wieder gelungen. Als er die Menschen bis auf die Knochen ausbeutete, da wehrten sie sich dagegen, indem sie den Sozialstaat ,, erfanden“; als der Kapitalismus begann die natürlichen Grundlagen unseres Lebens zu zerstören, da formierte sich dagegen Widerstand in Form der Umweltbewegung. Warum sollten jetzt, da der Kapitalismus auch noch die Souveränität über die letzten Sekunden unseres Lebens rauben will, wir ihm nicht einen Riegel vorschieben können? Das kann gelingen. Man muss es nur wollen und man muss dafür viel Phantasie aufbringen.

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Eine Antwort auf Kapitalismus und Demokratie – ein Widerspruch?

  1. “Kapital und Kapitalismus

    Unter Kapital versteht der Freiwirtschaftler Geld und zinstragendes Gut. Kapitalist ist also jeder, soweit er Zins bezieht, und Kapitalismus oder Zinswirtschaft ist die Wirtschaftsordnung, in der Geld und andere Güter so gebraucht werden können, dass sie Zins abwerfen (Geldzins, Sachzins, Bodenzins).

    An dem Fortbestehen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hat ein Interesse, wer mehr Zins einnimmt, als ihm von seinem Arbeitsertrag durch Zins genommen wird, durch den Zins, den er nicht etwa nur für geliehenes Geld oder gepachteten Boden, sondern in den Preisen alles dessen, was er kauft, bezahlen muss. Da in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung die Warenpreise im Durchschnitt etwa je zur Hälfte aus Arbeitslohn und Zins bestehen, ist derjenige am Fortbestehen des heutigen Zustandes interessiert, dessen Einkommen überwiegend aus Zins besteht. Zu den Großzinsbeziehern und sonstigen Nutznießern des Kapitalismus gehören aber sicher weniger als 10 Prozent der Bevölkerung.

    Die übrigen 90 Prozent der Bevölkerung sollten den Kampf gegen den Zins mit den rechten Mitteln aufnehmen, denn das Wesen des Kapitalismus besteht ja nicht allein darin, den Werktätigen dauernd rund die Hälfte ihres Einkommens durch den Zinsanspruch zu kürzen, sondern sie mit jedem Mittel – auch mit dem der Wirtschaftskrise und des Krieges – in dauernder Armut zu erhalten!

    Diese Armut (Sachkapitalmangel) ist geradezu das Lebenselement des Kapitalismus, seine Voraussetzung, denn nur für etwas, was knapp ist, bezahlt man Zins. Kapitalismus ist somit notwendig dauernde Mangelwirtschaft, Kapitalismus schließt zwangsläufig allgemeinen Wohlstand aus, so wie das Feuer das Wasser.”

    Otto Valentin (aus “Warum alle bisherige Politik versagen musste”, 1949)

    Das versteht jedes Schulkind. Es sei denn, dem Kind wurde im Religionsunterricht erzählt, das Paradies sei ein “Obstgarten” und die “Frucht vom Baum der Erkenntnis” ein Apfel.

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/07/der-zins-mythos-und-wahrheit.html