Leserbrief: Wohlstandschauvinismus. Reaktion auf Leitartikel ff 31/2012

Was ich aus Herrn Zimmermanns Leitartikel herauslese, sind vor allem Ignoranz und klischeehafte Oberflächlichkeit gegenüber der italienischen Realität im allgemeinen und dem Südtiroler Sachverhalt im besonderen. Ebenso spricht daraus ein Wohlstandschauvinismus, wie er gerade in solch vollgefressenen europäischen Regionen wie Südtirol um sich greift und der sich der Illusion hingibt, man könne weiterhin in seinem liebgewonnenen Wohlstands- und Wachstumsmärchen leben, wenn man sich nur vom Rest der Welt abschottet, der für alle Probleme verantwortlich ist. Was Europa braucht, sind nicht noch mehr parasitäre Kleinstaaten und ebensowenig noch mehr “Strukturreformen”, von denen die immergleichen neoliberalen Klugscheißer schwafeln, die für die ganze Krise in erster Linie verantwortlich sind. Man muss sich vielmehr die Frage stellen, wie lange man es noch zulassen will, dass eine immer dünner werdende Schicht immer fetter wird, während sie beim Volk vom Sparen und Haushalten predigt.

Hanspeter Niederkofler, 04/08/2012

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8 Antworten auf Leserbrief: Wohlstandschauvinismus. Reaktion auf Leitartikel ff 31/2012

  1. erlkönig sagt:

    Einverstanden. Daher meinte ich ja „Einmal muss ich jetzt noch antworten“. Wobei die Anzahl der Zeilen ja nicht mit der Diskussionslänge korrelieren muss. Diese hängt doch vielmehr von der Relevanz des Themas ab. Für mich ist besagtes Thema essentiell und daher keine Energieverschwendung. Und auch du hast ja freiwillig „Energie verschwendet“ indem du dich mit deinem Leserbrief in die Diskussion eingebracht hast. Aber egal.
    Ich habe auf deinen Leserbrief nur reagiert, weil er für mich symptomatisch für eine Tendenz ist, die ich innerhalb des vermeintlich liberalen, weltoffenen – wenn man so will grün-sozialdemokratisch-intellektuellen – Teils der Südtiroler Bevölkerung verorte. Von diesem werden nämlich weltanschaulich neutrale bis gar linke Themen nicht aktiv mitgestaltet sondern grundsätzlich mit einem Tabu belegt, weil sie hierzulande zufällig von patriotischen Kräften besetzt sind. Man behauptet dann prinzipiell immer das Gegenteil dessen, was die Patrioten verkünden, nur um den Anschein von Besonnen- bzw. Überlegenheit zu erwecken. In diesem Sinne ist es in Wahrheit vor allem die Südtiroler Intelligenzija, die im Rückstand liegt, da diese mittlerweile weniger Avantgarde sondern vielmehr einem Autonomiekonservatismus anheim gefallen ist, jegliche progressive Energie zur Innovation verloren hat und dabei nicht bemerkt wie sie sich bisweilen in widersprüchliche umgekehrt-nationalistische Haltungen versteigt, die um der „convivenza“ Willen bis zur Faschismusapologie reichen. Selbst der von mir hoch geschätzte Hans Heiss ist davor nicht immer immun. Und das macht mir große Angst. Daher schreibe ich mir die Finger wund, um die argumentativ nicht untermauerten „Denkverbote“ meiner – wie ich meinte – Gesinnungsgenossen zu hinterfragen und so manchen wenigstens zum Nachdenken über diese mir unbegreiflichen Automatismen zu bewegen.

    • forum sagt:

      Ok. Nur solltest du wohlüberlegte, von vielen sicherlich nicht oberflächlichen Leuten geführte Argumentationen nicht einfach als von „Denkverboten“ ausgelöste „Automatismen“ abtun. Und „weltanschaulich neutral“ ist das Thema in meinen Augen absolut nicht, das ist im übrigen wohl kein Thema. Jeder muss schließlich irgendwo ansetzen, bevor er etwas als richtig oder falsch bezeichnet.

  2. erlkönig sagt:

    Ja, aber doch nicht notwendigerweise. Du konstruierst in deinem Leserbrief Zusammenhänge, die nicht kausal sind und die Zimmermann so auch nicht suggeriert. Freilich sind Nationalismus und Chauvinismus nicht auf eine gewisse Staatsgröße beschränkt. Dennoch orte ich bei (kleinen) Einheiten, die sich territorial definieren, eine größere Chance eingangs erwähnte Geißeln zu überwinden. Ein Nationalstaat hat per Definition kein Interesse an Vielfalt, da Vielfalt doch seine Legitimationsgrundlage konterkariert. Und umgekehrt lässt sich ein „Sonderstatus“ – wie z.B. jener unseres Landes – ja nur aufrechterhalten und begründen, wenn ich ständig die Andersartigkeit zur nationalstaatlichen Norm betone, die Trennung zementiere. Mache ich das allerdings nicht, verliere ich aufgrund nationalstaatlicher Zwänge die Vielfalt. Viele der politischen „Anomalien“ Südtirols sind doch gerade durch diese Situation bedingt.
    Was wir brauchen ist eine europaweite Harmonisierung der Spielregeln bei gleichzeitig radikaler Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse. Was Europa braucht, sind also sehr wohl mehr Kleinstaaten – sprich Verwaltungseinheiten. In diesem Zusammenhang gibt es dann auch kaum ein unwahrscheinlicheres Szenario, als dass diese sich voneinander bzw. der restlichen Welt abschotten.
    Im Gegensatz zu dir sehe ich GERADE in diesem Land, aufgrund seiner demographischen Zusammensetzung und dennoch vergleichsweise friedlichen und (nicht nur wirtschaftlich) prosperierenden Situation, die Chance, etwas Derartiges in Gang zu bringen. Denn dem latenten Rassismus und der unterschwelligen Pauschalierung, dass die Südtiroler dümmer, verbohrter und unsolidarischer wären als andere, kann ich als Demokrat nichts abgewinnen. Gerade wo ich in der Ermächtigung der Bürgerinnen die Zukunft sehe. Unter deiner Prämisse müsste ich mir für unser Land ja eine epistokratische Diktatur statt ein Mehr an direkter Demokratie wünschen.

    • forum sagt:

      Da interpretierst du jetzt ein bisschen zu viel hinein. Ich pauschalisiere nicht, sondern kritisiere eine politische Tendenz. Derartige Tendenzen sind im übrigen nicht nur in Südtirol zu beobachten – Wohlstand führt nicht zwangsläufig zu mehr Offenheit und Solidarität, speziell nicht, sobald man ihn ein wenig gefährdet sieht. Die Frage ist: Was ist der Antrieb, staatliche Eigenständigkeit zu verlangen? Und da nehme ich wahr, dass gerade die, die am lautesten danach schreien, nicht besonders vom Wunsch nach einer offenen und solidarischen Gesellschaft getrieben sind, schon gar nicht einer multikulturellen. Da geht’s in erster Linie um Abgrenzung, alle Probleme werden nach außen projiziert.
      Harmonisierung der Spielregeln, Dezentralisierung, kleinere Einheiten: absolut einverstanden. Regionalisierung, kurz gesagt. Das ist aber etwas anderes als die Schaffung neuer Staaten, denn das ist im Endeffekt nur eine Bestätigung des nationalstaatlichen Prinzips. Die nationalstaatliche Ordnung weicht man nicht auf, indem man neue Nationen kreiert. Jeder neue Staat ist erst einmal vor allem damit beschäftigt, sich selbst zu rechtfertigen, d. h. sich abzugrenzen.
      Staaten sind ohnehin nur ein Element in einem komplexen Machtgefüge, und wenn man sich zu allzusehr auf “den Staat” und “die Politiker” fixiert, übersieht man gerne, wer da alles daneben und dahinter agiert, meist recht unabhängig davon, wo gerade die Staatsgrenzen verlaufen.

      • erlkönig sagt:

        Sorry. Einmal muss ich jetzt noch antworten bzw. dagegen reden, wenngleich wir uns schon etwas näher gekommen zu sein scheinen, was die Sicht der Dinge betrifft.

        „Da interpretierst du jetzt ein bisschen zu viel hinein.“
        Dann geht es dir jetzt wohl ähnlich wie dem Herrn Zimmermann angesichts deines Leserbriefes :-).

        „Ich pauschalisiere nicht, sondern kritisiere eine politische Tendenz.“
        Mein Pauschalierungsvorwurf war auf deine Aussagen bezüglich der Südtiroler Bevölkerung gemünzt. Nach Differenzierung hört sich das für mich jedenfalls nicht an: ‚Das braucht aber erst einmal eine offene, multikulturelle und solidarische Gesellschaft. […] Wird aber nicht so einfach gehen, wenn ich mir GERADE DIESE PROVINZ HIER so ansehe.‘ (Hervorhebung von mir)

        „Derartige Tendenzen sind im übrigen nicht nur in Südtirol zu beobachten – Wohlstand führt nicht zwangsläufig zu mehr Offenheit und Solidarität, speziell nicht, sobald man ihn ein wenig gefährdet sieht.“
        Vollkommen einverstanden. Hab auch nie etwas Gegenteiliges behauptet.

        „Die Frage ist: Was ist der Antrieb, staatliche Eigenständigkeit zu verlangen? Und da nehme ich wahr, dass gerade die, die am lautesten danach schreien, nicht besonders vom Wunsch nach einer offenen und solidarischen Gesellschaft getrieben sind, schon gar nicht einer multikulturellen. Da geht’s in erster Linie um Abgrenzung, alle Probleme werden nach außen projiziert.“
        Genau das ist tatsächlich die richtige Frage. Aber bei Zimmermann erkenne ich keine Ablehnung obiger Werte. Und jene die schreien, schreien doch nur, weil es ihnen an Argumenten fehlt. Seit wann hören wir – und vor allem die Grünen – auf Schreier oder fürchten uns gar vor ihnen? Und was hat die Qualität meines Antriebs mit der Absenz derselben bei anderen zu tun? Nur weil H.C. Strache populistisch laut aus nationalistischen Gründen gegen ESM ist, kann ich doch auch dagegen sein, weil ich ihn für wirtschaftlich wie auch demokratiepolitisch bedenklich halte.

        „Harmonisierung der Spielregeln, Dezentralisierung, kleinere Einheiten: absolut einverstanden. Regionalisierung, kurz gesagt.“
        Heureka!

        „Das ist aber etwas anderes als die Schaffung neuer Staaten, denn das ist im Endeffekt nur eine Bestätigung des nationalstaatlichen Prinzips.“
        Aber nur dann, wenn man wie die Süd-Tiroler Freiheit nicht fähig ist, über die nationalstaatliche Logik hinauszudenken. Ein unabhängiger Staat Südtirol mit mehrsprachigem Quellcode würde das genaue Gegenteil sein: eine Willensgemeinschaft, die auf keinem „Blutsmerkmal“ fußt. Was sonst wäre für ein Land in unserer demographischen Situation erstrebenswert und realistisch? Die Autonomie hingegen zementiert das nationalstaatliche Prinzip. Das Konzept von Mehr- und Minderheit gibt es ja nur, weil im zentralistischen Nationalstaat bzw. in der autonomen Provinz dem ethnischen (unveränderlichen) Merkmal essentielle Bedeutung beigemessen wird. Definiert sich ein Staat aber dezidiert als „mehrsprachig“ und über das Territorium (alle Menschen, die in Südtirol leben, sind Südtiroler), rückt das in Südtirol alles überragende Cleavage/Merkmal „Ethnie=Sprache“ in den Hintergrund – ähnlich dem Geschlecht, der Religion usw. Dass dem so ist, zeigt dir der politische Alltag. Diskussionen, die überall sonst auf der Welt entlang ideologischer Cleavages geführt werden, finden in Südtirol aufgeteilt in ethnische Lager statt (Nazi-Faschismus, Toponomastik, ja sogar Wirtschaft – Stadt vs. Land). Daher ist mein Antrieb für die Unabhängigkeit die Aussicht auf eine homogenere Gesellschaft und das Freiwerden von Kräften, die derzeit im ethnischen Konflikt verpuffen. Die Zugehörigkeit zu Italien ist kausal für nahezu alle Phänomene, die die Entwicklung eines linksliberalen Lagers in Südtirol verhindern, das ethnische Parteiensystem bedingen und das Prinzip der Trennung forcieren. (Ich sehe ansonsten keinen einzigen Grund, warum es in Nordtirol ein Wählerpotenzial von rund 40 (!!!) Prozent für linksliberale, grüne und sozialdemokratische Bewegungen gibt und in Südtirol nicht. Oder warum liegen die Grünen in Innsbruck zwischen 15 und 20 Prozent und in Bozen bei 6? Und mit welcher Argumentation könnte die SVP in dieser Form weiter existieren, wenn Südtirol nicht bei Italien wäre?)

        „Die nationalstaatliche Ordnung weicht man nicht auf, indem man neue Nationen kreiert.“
        Bitte nicht Staat und Nation verwechseln. Es geht um die Verschiebung von Verwaltungsgrenzen, innerhalb derer man sich ein auf die Situation abgestimmtes Regelwerk verpassen kann. Die Aufweichung der Grenzen in Europa ist doch ein Argument, dass diese in Zukunft flexibler gehandhabt werden. Die Argumente der Grenzverschiebungsgegner amüsieren mich in diesem Zusammenhang immer sehr. „In Europa gibt es keine Grenzen mehr“ lautet das eine, „In Europa neue Grenzen zu errichten ist rückwärtsgewandt“ das andere. Also entweder es gibt keine Grenzen mehr, dann kann ich auch keine neuen errichten – im Sinne einer Barriere mein ich jetzt, oder es gibt sie doch und sie können somit Vor- und Nachteile bringen. Jedenfalls werden wir auch in einem vereinten Europa immer Verwaltungsgrenzen brauchen. Wie durchlässig diese sind, entscheiden wir selbst. Es wäre absurd, würde eine Zentralregierung über die Abschussquote von Rentieren in Lappland ebenso befinden wie über einen Forststraßenbau im hintersten Eck Siziliens und die Förderung einer Kindertagesstätte in Rumänien. Da die bestehenden Grenzen jedoch oft willkürlich, durch Kriege und gegen jede Logik, was natürliche Begebenheiten, traditionsreiche Routen und kulturelle Realitäten betrifft, gezogen wurden, wären doch Anpassungen auf Basis demokratischer Willensbekundungen überhaupt kein Problem. Diese Form von „Kleinstaaterei“ wäre auch die längst überfällige Chance für das europäische Parlament und die Demokratisierung der europäischen Union. Ein System mit Kommission, Rat und Ministerrat wäre dann undenkbar bzw. nicht bewerkstelligbar und wir hätten endlich richtige europäische Parteien, die entlang ideologischer und nicht nationaler Interessen konkurrieren.

        „Jeder neue Staat ist erst einmal vor allem damit beschäftigt, sich selbst zu rechtfertigen, d. h. sich abzugrenzen.“
        Wie kommst du auf die Idee? Suchen neue Staaten nicht vielmehr aktiv Anschluss an die internationale Gemeinschaft? Könnte mich nicht erinnern, dass z.B. Slowenien „vor allem“ damit beschäftigt war, sich zu rechtfertigen und abzugrenzen?!?!?

        „Staaten sind ohnehin nur ein Element in einem komplexen Machtgefüge, und wenn man sich zu allzusehr auf “den Staat” und “die Politiker” fixiert, übersieht man gerne, wer da alles daneben und dahinter agiert, meist recht unabhängig davon, wo gerade die Staatsgrenzen verlaufen.“
        Mag sein. Aber unsere einzige Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf diese Dinge, ist über den Staat bzw. seine übergeordneten Instanzen (EU). Wie, wenn nicht mit demokratischen Mitteln, sollen wir unser Zusammenleben regeln? Natürlich gibt es Lobbys und die „Schattenregierung Wirtschaft“, aber ich versteh nicht, wieso ich mich deshalb nicht auf „den Staat“ konzentrieren soll. Der, der das derzeitige Wirtschaftsmodell ermöglicht hat, war doch „der Staat“, denn dieser schafft die Rahmenbedingungen.

        • forum sagt:

          Wird Zeit, abszuschließen, aus ein paar Zeilen eine seitenlange Diskussion zu entwickeln ist irgendwie nicht verhältnismäßig. Du legst da eine sehr optimistische Sicht an den Tag, was das Entstehen und das Wesen eines hypothetischen Staates Südtirol anbelangt und blendest die Problematiken aus. Der Nationalismus und Ethnozentrismus hört nicht auf, nur weil die Zugehörigkeit zu Italien als Ausrede wegfällt, das ist ebenso romantisch wie zu sagen, es gibt keine Grenzen mehr und damit auch keine Probleme, weil wir alle nur noch Europäer sind. Ich seh’s von der anderen Seite, für mich wiegen die Problematiken und Risiken schwerer als die positiven Möglichkeiten, die man sich ja durchaus vorstellen kann, und für mich ist genau die ständige Beschäftigung mit dem Thema eine Verschwendung von Energien. So und anders bleibt’s eine Fixierung nach außen, während die Probleme vor allem innen liegen. Das Demokratiedefizit in Südtirol hat sicher mit seinem Status zu tun, hat aber auch ältere historische Wurzeln, und heute ist das Problem vor allem der Machtkomplex, den die SVP darstellt und die Abhängigkeiten, die daraus resultieren. Das ist sicher der Hauptgrund, warum Leute, die anderswo nicht konservativ wählen würden, hier weiterhin SVP wählen. Das ethnische Thema ist da vor allem eine Ausrede. Und fällt eine Ausrede weg, findet sich die nächste. Aber wenn man andererseits die Gesellschaft betrachtet, die der Politik ohnehin immer voraus ist, hat sich doch auch einiges getan in letzter Zeit, wir haben nur einfach einen Rückstand. – Aber lassen wir’s, unterschiedliche Sichtweisen, aber auch Gemeinsamkeiten…

  3. erlkönig sagt:

    Ich versteh nicht, was das eine (unabhängiger – und warum automatisch parasitärer? – Kleinstaat) mit dem anderen (ausbeuterischer neoliberaler Kapitalismus) zu tun hat?

    Ich versteh auch nicht, warum ein unabhängiger Kleinstaat notwendigerweise mit Abschottung einhergehen soll? Im Gegenteil, Kleinstaaten sind bisweilen wesentlich durchlässiger, multikultureller und offener als große nationalistische Zentralstaaten.

    Könnte mir das bitte wer erklären.
    Danke.

    • forum sagt:

      Und warum soll ein Kleinstaat nicht nationalistisch und nicht dem neoliberalen Kapitalismus zu Diensten sein? Nationalismus und Chauvinismus sind nicht besser, nur weil sie sich auf kleinere Gebiete beziehen. Die Haltung ist die gleiche. Und aus dem kritisierten Leitartikel spricht eben diese Haltung: Wir schauen auf unseren Vorteil, wir holen uns das Geld ins Land und die Probleme haben die anderen. Wir sind ja schließlich alles nur fleißige und anständige Leute, die sich ihren Wohlstand verdient haben. Patriotismus und Nationalismus, auch im Mikro-Format, sind immer sehr gut dazu geeignet, von inneren Problemen und Widersprüchen abzulenken und zu übersehen, dass die großen globalen Probleme auch vor der eigenen Haustür gemacht werden.
      Natürlich kann man sich einen offenen, multikulturellen und solidarischen Kleinstaat vorstellen. Das braucht aber erst einmal eine offene, multikulturelle und solidarische Gesellschaft. Und wenn ich die habe, brauche ich dann auch kein Fähnchen mehr. Wird aber nicht so einfach gehen, wenn ich mir gerade diese Provinz hier so ansehe…