Leserbriefe Johann Burger: Krise

Die zwei Gesichter der Krise (TZ, 250712)

Beispiel Italien: Einerseits eine Staatsverschuldung von über 120% des BIP (bald 2 Billionen Euro). Andererseits ein Privatvermögen von mehr als 10 Billionen Euro. Davon besitzen 10% der Bevölkerung  (die Superreichen) ca. 7 Billionen. Ein ähnliches Missverhältnis in anderen Staaten. Christian Felber (Autor des Buches „Retten wir den Euro“) ist überzeugt, dass nur eine konzertierte EU-weite Besteuerung dieser enormen Vermögen und Einkommen die kriselnden Staaten, den Euro und schlussendlich Europa retten können: 1.  Transaktionssteuer von 0,1 % (auf Verschiebung von Aktien, Derivaten, Devisen, …), 2. Vermögenssteuer ab 1 Million, 3. Besteuerung von Kapitaleinkommen und 4.  Körperschaftssteuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften. Auch geringe Steuersätze würden genügen, die gesamte Schuldenlast innerhalb weniger Jahre zu tilgen, die Handlungsfähigkeit der Staaten zu sichern und die Krisenverursacher und  Profiteure in die Verantwortung zu nehmen. Betroffen wären nicht die Normalbürger, nicht die kleinen und mittelständischen Betriebe und nicht die Leistungsträger der Realwirtschaft. Einen anderen Vorschlag (Zwangsanleihen bei Vermögenden) macht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Radikalere Vorschläge kommen von der Boston Consulting Group (BCG), die eine einmalige Steuer auf Großvermögen im Ausmaß von 34% fordert.Aber unser Mario hat versprochen, keine Vermögenssteuer zu planen. Lieber versetzt er Millionen Menschen in Armut.

——————————————-

Wechselbad

Mario Monti versorgt uns täglich mit einem Wechselbad an sich widersprechenden Szenarien über den Zustand Italiens: Einmal stehen wir einen Schritt vor dem Abgrund, dann meint er wieder, dass wir es alleine (ohne Rettungsschirm) schaffen würden, gleich darauf fürchtet er einen Angriff der Finanzspekulanten und zugleich müssen wir alles tun, um das „Vertrauen“ der Märkte wieder herzustellen. Und um diese ominösen Finanzmärkte zu „beruhigen“  überzieht er das Land mit einer geballten Ladung an Spardiktaten, Privatisierungszwängen und sozialen Ungerechtigkeiten. Das katastrophale Ergebnis kann man an den neuesten Daten zur Wirtschaftsentwicklung, dem Arbeitsmarkt und der steigenden Schuldenlast ablesen. Auch wenn einige Maßnahmen Sinn machen ist doch die Gesamtstrategie grundfalsch. Als internationaler Berater von Goldman Sachs, jener amerikanischen Großbank, die durch ihre betrügerischen Machenschaften (siehe Buch „Kleptopia“ von Matt Taibbi) nach wie vor in die Schlagzeilen gerät und einen Billionenschaden verursacht hat, wird Mario Monti das Wohl des Großkapitals in jedem Fall vor das Wohl des Staates und der Allgemeinheit setzen. Eine Vermögenssteuer hat er schon ausgeschlossen!

——————————————–

Ausbeutung (Dolomiten, 310712)

Es ist bezeichnend, wie nahezu einhellig Politik, Wirtschaft, Finanzlobby u. Medien die Krise u. deren Bewältigung beurteilen: 1. Wir haben alle (!) über unsere Verhältnisse gelebt. 2. Es braucht drastische Sparmaßnahmen u. einschneidende Reformen.In „Vorausgeschickt“ der Zeitung Dolomiten vom 28.07. stand sinngemäß, Italien (…) habe 30 Jahre lang geschlafen, anstatt nötige Reformen anzugehen. Oh nein, Italien hat nicht geschlafen, sondern fleißig 30 Jahre lang eine unverschämte Ausbeutung der Arbeiter u. der eigentlichen Leistungsträger betrieben. Kürzung von Löhnen u. Sozialleistungen, katastrophales Umkrempeln des Pensionssystems, prekäre Arbeitsformen, Gängelung von Kleinbetrieben, aber Narrenfreiheit im Finanzsektor u. Steuergeschenke für Reiche… Schutz für Bilanzfälscher, Beschneidung der Demokratie, Gerichtsbarkeit und Gewerkschaftsrechte …Es ist so was von verlogen, was uns als alternativlos aufgetischt wird. Die Einsparungen dienten nicht dem Schuldenabbau, sondern der enormen Bereicherung der Geldaristokratie. Löhne einfrieren, Bargeldzahlungen blockieren, …: Kein Problem! Aber Besteuerung der ca. 300.000 Einkommensmillionäre: Angeblich eine unzulässige „Enteignung“.

—————————————

Autonomie in Gefahr?

Wenn man sich die Kommentare von SVP-Politikern zu den Sparbeschlüssen der Regierung Monti so anhört, scheint es diese weniger zu stören, dass wieder einmal die Geringverdiener die Zeche bezahlen und höchst ungerechte Einschnitte in die Grundsicherung vorgenommen werden. Besorgt, ja direkt beleidigt ist man nur, weil Monti diese sogenannten „Strukturreformen“ durchboxt, ohne Durnwalder u. Co vorher auch nur zu informieren, geschweige zu fragen. Hierzulande hat man ja ein fast perfektes Abhängigkeitssystem geschaffen und man ist vom Fußvolk gewohnt, dass es demütig ansucht und sich bei positivem Resultat auch ordentlich bedankt. Und nun kommt so eine arrogante, nicht einmal richtig gewählte Regierung daher und wirft ungeniert unsere Superautonomie über den Haufen. Man ist total ratlos. Was da jetzt von SVP-Granden so alles an Reaktionen kommt, ist erstaunlich. Hörte ich nicht auch was von Selbstbestimmung? Na so was! Davon „träumt“ eigentlich nur diese „einfältige, realitätsferne Phantastin mit Zopf“ (Sie möge mir die Ironie verzeihen!). Im Ernst. Gerade von SVP-Seite kommend dürfte ein diesbezüglicher Antrag von Österreich wohl kaum als seriös empfunden werden. Wir Südtiroler, reich, autonom, erhaben. Kein Vergleich zu diesen „armen Schluckern“ Nordtirols mit nicht einmal der Hälfte unseres Landeshaushaltes. Mit denen zusammenarbeiten? Wir können uns Uni, Flugplatz, Fahrsicherheitszentrum, … locker selber leisten. Abnabelung pur. Und nun auf einmal? Wer weiß? Sag niemals nie!

Burger Johann, Pichl/Gsies

 

Dieser Beitrag wurde unter Leserbriefe abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.