TZ 03.07.2012: Fahrrad im Fokus

Die Maratona dles Dolomites ist zu Ende, Autos und Motorräder haben die Dolomitenpässe zurückerobert. Warum Präsident Michil Costa die Pässe für die Fahrräder freihalten will. Und warum er dieses Ziel bisher nicht erreicht hat

Die erste Maratona dles Dolomites gab es in den 80er-Jahren. Vor 26 Jahren hat eine Gruppe von Freunden das Radrennen über die Pässe organisiert. Daran teil nahmen rund 166 Radler Nach einigen Jahren drohte der Maratona das Aus. Schließlich übernahm der Gadertaler Hotelier Michil Costa die Organisation. Dabei ist er selbst gar kein Radsportler. Er macht lieber auf seinem Hochrad einen Schaulauf beim Start, als über die Pässe zu treten. Nach der Maratona am vergangenen Sonntag spricht der Präsident über lärmende Motorräder auf den Dolomitenpässen und die Geheimnisse hinter seinem Radrennen.

Tageszeitung: Herr Costa, was ist das Geheimnis des Erfolges der Maratona dles Dolomites?

Michil Costa: Die Kommunikation ist mindestens genauso wichtig wie die Organisation. Dafür wurde ich am Anfang heftig kritisiert. Ich habe dann trotzdem eine Chance bekommen, aber die Anfangszeit war sehr schwierig, vor allem in finanzieller Hinsicht.

Wann ging Ihnen dann der Knopf auf?

Nach zwei, drei Jahren ist es mir gelungen, die Dolomiten-Pässe für die Dauer des Rennens sperren zu lassen. Das hat funktioniert! Man muss sich vorstellen: Bis dahin sind mit den Rädern immer Autos und Motorräder auf der Straße unterwegs gewesen. Die Dolomiten ohne Autos sind etwas Wunderbares. Das hat auch der Direktor der RAI in Rom eingesehen und uns sofort eine sechststündige Direktübertragung zugesagt. So begann der Aufschwung. Heuer hatten wir 30.000 Anfragen. Unter den 30.000 Anfragen werden nur 9.000 Radler ausgelost.

Geht nicht mehr oder möchten Sie nicht mehr?

Mehr geht nicht, schließlich müssen wir auf die Qualität achten. Wir möchten dem Radfahrer mehr bieten als er sich erwartet. Man darf nicht vergessen: Wir sind weitaus das teuerste Radrennen in Italien. Logistisch ist es einfach nicht möglich, guten Service für noch mehr Sportler zu bieten. Dafür sind auch die Straßen zu schmal.

Wäre es heute sinnvoll, die Dolomiten-Pässe öfter als nur zwei Mal im Jahr für den motorisierten Verkehr zu sperren?

Touristisch sehr klug wäre es, die Pässe jeden Sonntag zu sperren und das im Sommer weiter auszudehnen, indem man täglich einige Stunden offenhält. Aber dieser pornoalpine Tourismus…

Was ist pornoalpiner Tourismus?

Was hier bei uns passiert, ist längst nicht mehr normal. Jeden Tag fahren hunderte von Motorrädern über die Pässe. Das Problem dabei ist nicht nur der Lärm. Und gleichzeitig möchte man die schöne Natur vermarkten. Aber beides geht nicht Man muss sich irgendwann entscheiden: entweder Räder oder Motorräder Wir können nicht Bergwanderer anlocken und im nächsten Moment Motorradtreffen organisieren.

Liegt der Fehler der Tourismusstrategen eben darin, dass man von allem ein bisschen möchte, um keine Gäste zu verschrecken?

Richtig. Man muss fokussieren.

Worauf würden Sie den Fokus richten?

Wir müssen zurück zur Ruhe. Es geht gar nicht anders. Alles bewegt sich in diese Richtung. Wir können nicht noch mehr kaputtmachen.

Was bleibt von der Maratona?

Was bleibt sind die ganzen Menschen aus aller Welt, die mir erklären, dass die Maratona das schönste Radrennen der Welt ist. Viele vergleichen das mit dem Marathon in New York. Dort bin ich selbst mitgelaufen. Die Atmosphäre ist einmalig.

Sie selbst sind mehr Läufer als Radfahrer…

Am liebsten gehe ich zu Fuß auf die Berge.

Was fehlt der Maratona noch immer?

Der Ausbau des Radtourismus als Ganzes funktioniert nicht. Das Potential würde bestehen, aber wer will schon auf Straßen fahren, die von Autos und Motorrädern beherrscht werden? Die Situation ist paradox.

Haben Sie sich um den Ausbau des Radtourismus bemüht?

Ich habe versucht, eine Radwoche einzuführen, Das funktioniert nicht, solange die Pässe nicht gesperrt werden. Im vergangenen Jahr haben wir eine Sperre für drei Tage versucht. Nach dem ersten Tag haben die Bürgermeister gesagt: Zu viele Reklamationen, wir müssen die Pässe wieder aufmachen. Der Mensch hat am meisten Angst vor Veränderungen in seinem Leben. Jeder Mensch will Sicherheit.

Werden Sie nie müde, für einen sanfteren Umgang mit den Bergen zu kämpfen?

Bei einem Essen hat der Dalai Lama mir erzählt, die Chinesen hätten sich im Tibet ausgebreitet. Er hat es mir mit einem Lächeln erzählt. Warum er lächle, wenn die Situation doch so tragisch sei, habe ich ihn gefragt. „Erstens“, hat er geantwortet, man muss Dinge akzeptieren können. Zweitens: Alles geht vorüber: Und drittens: Ein Lächeln kann die Welt retten.“ Ich selbst habe die Wahrheit bestimmt nicht gepachtet, aber ich versuche, das Richtige zu tun. Und ich bin überzeugt davon, dass die Jüngeren verstehen werden, was wirklich wichtig ist. Sie werden uns wohl nie verzeihen, dass wir alles kaputt gemacht haben. Wenn ich daran denke, muss ich weinen.

Interview: Silke Hinterwaldner

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Maratona in Zahlen

  • 8.703 Radfahrer haben an der Maratona teilgenommen
  • 82 Jahre alt ist der älteste Teilnehmer Marco De Veochi
  • 15 Jahre alt ist die jüngste Teilnehmerin, Martina Longobardi
  • 1.380 Freiwillige haben an der Organisation mitgearbeitet
  • 2.300 Kilo Bananen wurden gegessen
  • 600 Kilo Orangen
  • 12.000 belegte Brötchen
  • 300 Kilo Käse, 300 Kilo Rohschinken
  • 900 Kilo Torten und Süßes
  • 6.500 Liter Cola
  • 10.500 Liter Mineralwasser
  • 3.500 Fruchtsäfte
  • 11.500 Liter Mineralsalze
  • 8.500 Beefsteaks und Würste
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