Kraftwerk Mittewald. Der Stein rollt weiter. TZ, 24.04.2012

Mittewalder Betrug?

Oberstaatsanwalt Guido Rispoli hat die Ermittlungen in der „Stein-an-Stein“-Affäre abgeschlossen. Er wirft Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher Amtsmissbrauch und erschwerten Betrug vor. Mit neuen Details.
von Christoph Franceschini

Guido Rispoli fühlt sich auf den Arm genommen. „Als die Herren, damals noch nicht als Beschuldigte, angehört wurden, haben sie mir Märchen aufgetischt“, sagt der Oberstaatsanwalt. Mit der Umschreibung „die Herren“ sind vor allem Maximilian Rainer und Franz Pircher gemeint. Der beurlaubte SEL-Generaldirektor, der ehemalige SEL-Aufsichtsratspräsident und auch der ehemalige SEL-Präsident Klaus Stocker haben gestern die Mitteilung über den Abschluss der Ermittlungen im Fall „Stein an Stein“ zugestellt bekommen. Die Staatsanwaltschaft wirft Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher darin Amtsmissbrauch und erschwerten Betrug vor. Guido Rispoli wirft dem Trio vor, ihr Amt dazu missbraucht zu haben, um selbst persönliche finanzielle Vorteile herauszuschinden. Der Kern der Anklage dabei: der Nichtkauf des Mittewalder Kleinkraftwerks. Der Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass ein von Maximilian Rainer ausgeklügelter Plan bestanden habe, das Kleinkraftwerk an der SEL AG vorbei- und einem ausgewählten Kreis zuzuschanzen. „Sie haben sich dabei durch Vorspiegelung falscher Tatsachen für sich selbst und andere und zum Nachteil der SEL AG einen rechtswidrigen Vorteil verschafft“, schreibt der Oberstaatsanwalt in der Mitteilung.

Guido Rispoli setzt die Verwalter der Landesgesellschaft SEL AG mit öffentlichen Verwaltern gleich. Hauptstütze dieser Argumentation ist das Urteil im Fall des von den Grünen angestrengten und gewonnenen Prozesses zur Akteneinsicht in die SEL-Verträge. In drei Urteilen, jenem des Verwaltungsgerichtes Bozen, des Staatsrates und jetzt auch des Kassationsgerichtes, war damals der öffentliche Charakter der SEL AG herausgestrichen worden. Für Rispoli kommt deshalb „der erschwerende Umstand dazu, dass die Tat unter Missbrauch einer Gewaltbefugnis, einer beruflichen Beziehung, einer Arbeitsleistung begangen wurde“.

Die Ermittler haben den mutmaßlichen Betrug detailliert analysiert. Ausgangspunkt  dabei ist die Entscheidung des SEL-Verwaltungsrates am 24. November 2006, das Kleinkraftwerk in Mittewald nicht anzukaufen. Die Staatsanwaltschaft weist schlüssig nach, dass dieser Beschluss unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und durch ein bestelltes Gutachten erfolgt sei, das in der Methodik und in seiner Ausführung wohl einmalig auf dieser Welt ist. Die Hypothese dabei: Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher haben bewusst die Sache so gedreht, damit das Kraftwerk in die Hände der Stein an Stein Italia GmbH und somit in ihre eigene Verfügungsgewalt fällt.

Als der Skandal im vergangenen Herbst an die Öffentlichkeit kam, lieferte die damalige SEL-Führung eine Reihe von Argumenten, warum man das Kraftwerk nicht angekauft habe. Die beiden Hauptpunkte: Der Verkäufer wollte das Kraftwerk samt einem Immobilienpaket verkaufen, und die SEL war an den Immobilien nicht interessiert. Zudem sei das Kraftwerk  – laut einem von der SEL AG bei der Turiner Firma „Xelee Srl“ in Auftrag gegebenen Schätzgutachten – nur rund 70.000 Euro wert gewesen.

Diese Argumente werden von der Anklage jetzt im wahrsten Sinne des Wortes pulverisiert. Denn die Staatsanwaltschaft weist detailliert nach, dass beide Informationen eine reine Augenauswischerei seien. So hat der Verkäufer Johann Breiteneder vor dem Staatsanwalt ausgesagt, dass Maximilian Rainer ihm bereits am 9. Juni 2006 bei einem Besuch in Wien den Kauf des Kraftwerks „durch die SEL AG oder einen anderem von ihm genannten Käufer“ zugesagt habe. Dabei hat man auch eine Preisabsprache getroffen: 450.000 Euro. Breiteneder legte auch entsprechende schriftliche Dokumente vor. Fünfeinhalb Monate später erklärte Maximilian Rainer dem SEL-Verwaltungsrat aber, dass das Kraftwerk nur 70.000 Euro wert sei, gestützt auf das Schätzgutachten des Turiner Ingenieurs und „Xelee“-Geschäftsführers Michele Morelli, der in Wirklichkeit nur den veralteten Maschinenpark geschätzt hatte.

Die Ermittler haben erhoben, dass das Schätzgutachten von Ingenieur Morelli zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht vorgelegen habe. Die Zahlen wurden erst bei der Verwaltungsratssitzung am 22. Dezember 2006 nachgereicht. Vier Tage, nachdem die Stein an Stein GmbH das Kraftwerk bereits gekauft hatte. Das Gutachten selbst erhielt die SEL AG sogar erst im Frühjahr 2007. Danach hat man das Ganze einfach rückdatiert.Die SEL AG hat im Laufe der Jahre mehrere kleine Kraftwerke bewertet. Dabei hat man immer neben einem technischen Gutachten auch ein Gutachten über den „wirtschaftlichen Wert“ in Auftrag gegeben. Die Landesenergiegesellschaft bediente sich dazu meistens des Mailänder Unternehmens Relight Srl. Der Betreiber des Unternehmens, Stefano Indigenti, sagte aus, dass ihm auch im Fall des Mittewalder Kraftwerks ein solcher Auftrag in Aussicht gestellt worden sei, dieser Auftrag dann aber plötzlich nicht mehr vergeben worden sei.

Guido Rispoli hat dieses Gutachten jetzt nachgeholt. Sachverständiger Roberto Pallaver kommt darin zu einem eindeutigen Schluss. Allein das alte Kraftwerk hat einen Jahres-Cash-Flow von 160.000 Euro und einen Jahres-Brutto-Gewinn von rund 110.000 Euro. Vom geplanten Ausbau ganz zu schweigen. Weil auch die Konzessionsverlängerung in Wirklichkeit nie in Frage gestellt wurde, kommt der Gutachter auf einen Wert, der weit das übersteigt, was der Verkäufer wollte.„Ich habe damit genug, um den ersten Teil der Ermittlungen abzuschließen“, meint Guido Rispoli. Im zweiten Teil der Ermittlungen sollen jetzt die Verhöre und Beschlagnahmungen in Wien und Lienz ausgewertet werden. Spätestens dann schließt sich die Beweiskette noch deutlich enger.

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Stein rollt weiter

Die Ermittlung der Staatsanwaltschaft zum Fall „Stein an Stein“ geht weiter. Der Tatverdacht: Amtsmissbrauch. Hier könnten die Mitglieder der Landesregierung ins Spiel kommen, die am 24. August 2009 die Erweiterung des Kraftwerkes in Mittewald genehmigt haben.
von Thomas Vikoler

Die Eile von Oberstaatsanwalt Guido Rispoli ist begründet: Etwaige Straftaten zum Fall „Stein an Stein“, die von den drei Beschuldigten Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher begangen worden sein könnten, würden bereits 2013 verjähren. Deshalb hat Rispoli das Verfahren gegen sie abgetrennt und nun abgeschlossen. Die Ermittlung zum Kraftwerk in der Gemeinde Franzensfeste, das jährlich einen Cashflow von rund 120.000 Euro erwirtschaftet, gehen aber weiter. Weitere Namen im Ermittlungsregister gibt es bisher nicht, aber einen konkreten Verdacht: Amtsmissbrauch.

Am 24. August 2009 hat die Landesregierung entgegen den negativen Gutachten von Ernesto Scarperi vom Amt für Gewässerschutz und der Dienststellenkonferenz die 30-jährige Verlängerung der Konzession für das E-Werk der Firma „Stein an Stein“ Italien in Mittewald beschlossen. Darin enthalten ist eine Verdreifachung der Kraftwerksleistung. Wurde hier die Firma „Stein an Stein“ Italien, deren Hintermänner den Mitgliedern der Landesregierung möglicherweise bekannt waren, bewusst bevorzugt? Diese Frage steht für die Ermittler weiterhin im Raum.

Zeit für eine weitere Vertiefung des Verdachtes besteht, denn Stichtag für eine Verjährung wäre der Termin des Beschlusses der Landesregierung. Die Mitglieder der Landesregierung sind bereits von Rispoli dazu als Zeugen befragt worden. Die meisten von ihnen erklärten, sich nicht mit dem Inhalt des Beschlusses befasst zu haben. Inzwischen läuft ein Verfahren zu dessen Annullierung.

Nicht teilgenommen an der Abstimmung ohne Gegenstimme hat bekanntlich Landeshauptmann Luis Durnwalder. Über seinen Schreibtisch ging aber der ominöse Vermerk, der im vergangenen Herbst für erhebliche Aufregung sorgte. Er enthält konkrete Forderungen zum Kraftwerk in Mittewald, drei Rufezeichen, aber keine Unterschrift. Eine Kopie des handgeschriebenen Zettels wurde von den Ermittlern bei Franz Pircher, dem mutmaßlichen Absender, sichergestellt. Durnwalder hat stets betont, er habe den Vermerk – so wie viele andere – an das zuständige Amt weitergeleitet.

Aktenkundig ist auch, dass Durnwalder zusammen mit Pircher an einem Mittagessen in Mittewald teilnahm, bei dem mit dem Eigentümer einer an das „Stein-an-Stein“-Kraftwerk angrenzenden Wiese gesprochen wurde. Dass es zu einer Anklage wegen Amtsmissbrauchs kommt, ist allerdings eher zu bezweifeln. Strafrechtlich zu klären ist auch die Rolle der Wiener „Strohfrau“ Petra Windt, die ihren 70-prozentigen Anteil am Kraftwerk angeblich abtreten will – um den Nominalwert von 15.000 Euro.

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Geschädigte SEL
Die SEL AG hat bei Gericht Klage gegen die ehemalige Führungsspitze eingebracht. (tom)

Die neue SEL-Führung unter Präsident Wolfram Sparber ist seit Ende November im Amt. Dass sie nicht sofort gegen die Ex-Führung um Präsident Klaus Stocker, Direktor Maximilian Rainer und Aufsichtsrats-Chef Franz Pircher vorgehen würde, war zu erwarten. Nun wurde aber bekannt, dass die SEL AG vor rund einem Monat beim Landesgericht Bozen eine Klage gegen die Hauptbeschuldigten in der Affäre „Stein an Stein“ eingebracht habe – als potentielle Geschädigte ihrer Handlungen. Die mutmaßlichen Delikte Amtsmissbrauch und Betrug gegen die öffentliche Verwaltung sind auch von Amts wegen verfolgbar, als künftige Zivilpartei erhält die Landesenergiegesellschaft aber volle Akteneinsicht und kann in einem etwaigen Prozess Schadenersatzansprüche geltend machen.

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