Volksbefragung zur Direkten Demokratie vor Landtagsentscheidung!

Offener Brief der Initiative für mehr Demokratie an die Landesregierung, 10.01.2012

Heute wurde den Landtagsabgeordneten ein Offener Brief der Promotoren des Volksbegehrens zur Direkten Demokratie und der unterstützenden Organisationen übergeben. In diesem wird der Landtag eingeladen, eine befragende Volksabstimmung (Volksbefragung) über die ihm in dieser Materie vorliegenden Gesetzentwürfe möglich zu machen und zu beschließen. Eine solche ist auf der Grundlage des geltenden Landesgesetzes 11/2005 möglich und kann vom Landtag vor der Verabschiedung eines Gesetzes beschlossen werden. Die SVP hat angekündigt, das Volk nur über ihr Gesetz abstimmen lassen zu wollen.

Es ist konstruktiver und zeugt von einem größeren Respekt der Bevölkerung gegenüber, ihr Alternativen anzubieten, als sie vor ein Entweder-Oder zu stellen.
Es ist fair auch die Legitimität der anderen Vorschlägen zu respektieren, indem man sie zur Auswahl stellt, eine Legitimität, die durch die mehrfach bestätigte Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung gegeben ist.
Es ist produktiver, sich jetzt von der Bevölkerung sagen zu lassen, welche Regelung sie vorzieht und sich dann für diese zu entscheiden, als zu riskieren, dass eine vom Landtag verabschiedete Regelung in einem Referendum abgelehnt wird und weitere Jahre für eine Neufassung vergehen zu lassen.

Offener Brief

Sehr geehrte Abgeordnete zum Südtiroler Landtag,
wir, das Promotorenkomitee für das Volksbegehren zur Direkten Demokratie und die Organisationen, die seit Jahren gemeinsam eine wirksame und bürgerfreundliche Regelung der Direkten Demokratie anstreben, laden Sie ein, eine befragende Volksabstimmung gemäß Art. 16 des Lg. 15/2005 über die dem Landtag vorliegenden Gesetzentwürfe zur Direkten Demokratie zu ermöglichen und zu beschließen.
Insbesondere zwei Gesetzentwürfe stehen sich jetzt in der Behandlung mit grundsätzlich verschiedenen Ansätzen gegenüber: Der Volksbegehrensgesetzentwurf (eine verbesserte Variante des Gesetzentwurfes, über den Südtirols Bürgerinnen und Bürger 2009 schon abgestimmt haben), der mit der Unterstützung von vielen Organisationen, von 12.600 Bürgerinnen und Bürgern eingebracht worden ist und der von Abgeordneten der SVP eingebrachte Gesetzentwurf. Der Volksbegehrensgesetzentwurf will – so wie zwei weitere dem Landtag vorliegende Gesetzentwürfe – mit einer wirksamen und gut anwendbaren Regelung erwirken, dass die politische Vertretung in Zukunft angehalten ist, für ihre Entscheidungen einen Konsens in der Gesellschaft zu suchen. Der Gesetzentwurf der SVP hingegen reduziert Direkte Demokratie letztlich auf ein Recht der Bürgerinnen und Bürger, Vorschläge und Anregungen an die politische Vertretung heranzutragen.
Die Regelung der demokratischen Rechte sollte eigentlich vom Volk selbst ausgehen, zumindest aber sollte sie durch das Volk direkt legitimiert sein. In diesem Sinne sieht das Autonomiestatut (Art. 47 und Lg. 10/2002) für diese Gesetze ein unmittelbares Kontrollrecht der Bürgerinnen und Bürger vor: das bestätigende Referendum. Dieses gewährleistet, dass nur jene Grundgesetze in Kraft treten, die mehrheitlich von der Bevölkerung angenommen werden.
Angesichts der langen und konfliktreichen, aber letztlich stark meinungsbildenden Vorgeschichte der Regelung der Direkten Demokratie in Südtirol, erschiene es uns jetzt als nicht besonders produktiv, ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz zur
Direkten Demokratie dem Referendum zu unterwerfen.
Seit 1995 hat sich in mehreren Anläufen, in drei Volksbegehren und in der Volksabstimmung, zur Frage, wie die politischen Mitbestimmungsrechte geregelt werden sollen, ein klarer Wille der Bürgerinnen und Bürger in Südtirol artikuliert. In der
Volksabstimmung vom 25. Oktober 2009 hat dieser Wille – jenseits der knapp verfehlten Gültigkeit – seinen eindeutigen Ausdruck gefunden und nur um Weniges seinen Niederschlag nicht in einem neuen Landesgesetz gefunden. Insbesondere ein Gesetz, das die Ausübung der demokratischen Rechte regelt, muss dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entsprechen. Deshalb geht es jetzt darum, angesichts der grundverschiedenen Ansätze, die Frage eindeutig zu beantworten, welche Regelung von den Bürgerinnen und Bürgern bevorzugt wird.
Das kann der Landtag möglich machen, indem er im Übergang von der General- zur Artikeldebatte der entsprechenden Gesetze die Durchführung einer befragenden Volksabstimmung beschließt.
Wenn der politische Wille dafür gegeben ist, dann ist die Tatsache, dass Art. 16 des Lg. 15/2005 eine befragende Volksabstimmung über nur einen Gesetzesvorschlag vorsieht und nicht über zwei oder mehrere, kein Hindernis. Dieses kann mit einer ganz einfachen und in wenigen Monaten durchführbaren Anpassung des Landesgesetzes überwunden werden.
Aufgrund dieser Sachlage laden wir den Südtiroler Landtag ein, vor der Verabschiedung eines neuen Landesgesetzes zur Direkten Demokratie den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern des Landes die Möglichkeit zu geben, zu bekunden, welcher Regelung sie den Vorzug geben.

Stephan Lausch
Ersteinbringer des Volksbegehrens zur Direkten Demokratie
Raffaella Zito
Promotorin des Volksbegehrens zur Direkten Demokratie
Otto von Aufschnaiter
Promotor des Volksbegehrens zur Direkten Demokratie

Bozen, Jänner 2012

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