Die Bauern und die Steuern: „Gefährliche Ungleichheit“, TZ, 020811

TZ, Dienstag, 2. August 2011

Der Innsbrucker Universitätsprofessor Gottfried Tappeiner über seine Forderung, dass auch die Südtiroler Bauern, wie alle anderen Steuern zahlen sollen und die Gefahr für den sozialen Frieden.

Tageszeitung: Herr Professor Tappeiner, ist Ihnen schon ein Bauer mit einer Mistgabel nachgelaufen?

Gottfried Tappeiner: Nein, noch nicht, wahrscheinlich hat sich das Ganze noch nicht herumgesprochen. Aber ich bin überzeugt, dass auch die Bauern im Prinzip schon einsehen, dass auch sie eine Beitrag leisten müssen. Ich meine jene Bauern, die gut verdienen. Denn von jenen Bauern, die nicht gut verdienen, ist sowieso keine Steuer zu holen.

Die Bauernlobby ist in Südtirol der bestimmende Faktor in der Politik. Bisher haben sich wenige getraut, diese Forderung so offen zu erheben?

Ich habe an und für sich durchaus Sympathien für die Bauern und man muss die Leistung, die sie bringen auch anerkennen. Aber es ist sehr schwer verständlich zu machen, warum ein Einkommen, das ein Bauer erzielt, etwas ganz anderes ist als ein Einkommen, das jemand anders erzielt. Deshalb wäre es einfach richtig und gerecht, dass man beide gleich behandelt.

Sie sagen auch, dass diese Ungleichbehandlung zum sozialen Unfrieden im Land beiträgt?

Wenn gleiche Sachen ungleich behandelt werden, führt das früher oder später sicherlich zu Problemen in einer Gesellschaft. Zudem muss eines klar sein: Wenn man nicht dort Gleichheit schafft, wo sie notwendig ist, läuft man Gefahr, dass auch jene Förderungen, die die Bauern völlig zurecht bekommen – ich meine dabei vor allem die Vieh- und Bergbauern – plötzlich in Frage gestellt werden. Genau das wäre aber schade.

Es gibt Obstbauern auf dem Land, die sind Multiunternehmer. Sie sind Bauern, betreiben Urlaub auf dem Bauernhof und haben einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb. Ihre geschlossenen Höfe sind Villen mit Schwimmbädern. Gilt Ihre Kritik vor allem dieser Kategorie von Bauern?

Ich sage einfach, man kann bei jedem Bauern, ob klein oder groß, relativ einfach ein Einkommen ermitteln, wie bei jedem anderen Bürger auch. Ich weiß, dass dabei auch bei den Bergbauern unterm Strich keine schwarzen Zahlen herauskommen. Also haben sie eher etwas zu bekommen, als zu zahlen. Es gibt aber auch andere Bauern, bei denen sehr wohl schwarze Zahlen unterm Strich herauskommen und genau hier sollte die Besteuerung so sein, wie sie bei allen andern auch ist.

Glauben Sie, die Politik hört Ihren Zwischenruf?

Das weiß ich nicht. Solche Sachen brauchen immer eine längere Zeit. Die Diskussion wird irgendeinmal beginnen, aber das Ganze ist sicher keine Vision, die übermorgen umgesetzt wird. Auch weil die Kompetenzen dafür zu einem guten Teil in Rom und nicht in Südtirol liegen. Aber ein Anfang ist es, dass man darüber redet.

Sie haben mit ihrer Aussagen eine heilige Kuh in Südtirol geschlachtet. Keine Angst als Bauernfeind dazustehen?

Bauernfeind wäre sicher der falsche Ausdruck. Ich habe selber bäuerliche Wurzeln und ich darf sagen, dass die Bauern durchaus hohe Sympathien bei mir genießen. Dass dieser Gedankengang für den einen oder anderen etwas unüblich ist, das mag sein. Aber wenn man als Universitätsprofessor in einen Land nicht mehr das sagen darf, was man für richtig hält, dann wäre es wirklich problematisch.

Interview: Christoph Franceschini

Wirtschaftswissenschaftler Gottfried Tappeiner: „Es ist ein Anfang, dass man darüber redet.“

Es ist sehr schwer verständlich zu machen, warum ein  Einkommen, das ein Bauer

erzielt, etwas ganz anderes ist als ein Einkommen, das jemand anders erzielt.

Der Anlass

Die unabhängige Bezirkszeitung „Vinschger Wind“ hat in ihrer neuesten Ausgabe als Titelgeschichte ein langes Gespräch mit den Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor Gottfried Tappeiner gebracht. Darin äußert Tappeiner eine Meinung, die in Südtirol für eine nachhaltige Diskussion sorgen dürfte. Auf die Frage: „Die Landwirtschaft genießt Steuerbegünstigungen. Gehören Berg und Tal getrennt?“ legt Tappeiner eine einfache und klare Vision dar. Gottfried Tappeiner: „Nein, meines Erachtens nicht. Berg und Tal gehören gleich behandelt. Das heißt, ich könnte einen Bauer gleich behandeln wie einen anderen wirtschaftlichen Betrieb. Mir kann auch niemand mehr klar machen, dass ein Bauer nicht in der Lage ist, eine Buchhaltung zu führen. Die Bauern bekommen 80 Prozent ihrer Einnahmen von den Genossenschaften, der eine von der Milkon und der andere zum Beispiel von der Alpe. Also wäre die Abrechnung, zumindest was die Umsätze angeht, eine einfache. Was die Kostenseite angeht, will man die nicht genau verbuchen, könnte man eine Pauschalierung machen. Die Laimburg könnte das zum Beispiel tun. Bei einem Umsatz von 50.000 Euro hat ein Obstbetrieb dann, um etwas zu sagen, 20.000  Euro Spesen und der Rest ist zu versteuern(…). Ich brauch nicht Berg und Tal trennen, denn dann ginge der Streit los, wo hört das Tal auf und wo fängt der Berg an.“

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