Umdenken in der Architektur – PM Stiftung Harpfe, 16.07.2011

Zu einer offenen Debatte über Bauen ist es im Rahmen der Vorstellung der 3. Ausgabe der „Harpfe“ am Donnerstag in Innichen gekommen. Die Stiftung „Harpfe“ bzw. deren Präsident Helmut Rizzolli hatte auf den neu errichteten Platz „Zin Senfter“ vor dem erst kürzlich eröffneten „Senfter Residence“ geladen.

Die neue Ausgabe der Zeitschrift habe einen geographischen Schwerpunkt, das Pustertal, und einen inhaltlichen Schwerpunkt: das Bauen, meinte Rizzolli, in seiner Einleitung. Bauen gehe alle an, es sei keine Frage einiger weniger Experten. „Wie die Kleidung die zweite, ist das Haus die dritte Haut des Menschen“, erklärte Rizzolli. Und weil „Zin Senfter“ ein besonders gelungenes Werk sei, weil man den Eindruck hat, die Bauten seien immer schon dagewesen, wollte er diese Nummer der Ausgabe genau in Innichen vorstellen. Ein Bild aufzuhängen, sei eine Privatangelegenheit, beim Bauen aber stehe man in einem Kontext und dieser Kontext sei zu respektieren. Rücksichtslos sei, wer baut, als ob ihm die Landschaft gehören würde – Schön, gemütlich, passend hingegen sei all das, was sich in die Landschaft einfügt. Die nun vorliegende Ausgabe der von der Stiftung Harpfe herausgegebenen Zeitschrift sei deswegen auch eine kritische Stimme. „Es kann nicht sein, dass das, was heutzutage vielfach gebaut wird, von den Menschen immer weniger verstanden wird“, sagte Rizzolli, der aus dem in der Zeitschrift von Andres Pizzinini verfassten „Architekturmanifest“ zitierte: „Stil ist eine Option. Eine freie Option. Aber frei ist noch nicht unbedingt auch richtig“ Auf Tradition zu bauen sei zwar die richtige Entscheidung, schließe aber keineswegs aus, dass man der technischen oder gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt.

Als Gastredner der Stiftung Harpfe stellte Rizzolli den bekannten Architekten und Architekturkritiker Andreas Gottlieb Hempel vor. Hempel, der aus Deutschland stammt, lebt seit Jahren in Brixen und ist neben seiner akademischen Karriere auch als Publizist tätig. „Zin Senfter“ sei eine Bereicherung für das Dorf, hier fühle man sich wohl, stellt Hempel fest. Und zwar deshalb, weil man als Gast oder Passant das Gefühl habe, dieses Bauwerk sei immer schon dagewesen. Diese „wunderbare Architektur des Unsichtbaren, wo man sich sofort zuhause fühlt“, wünscht sich Hempel wieder mehr in Südtirol. Nur ein einziger der Professoren seiner Studienzeit habe ihn angehalten, bei jeder Planung zuerst die Umgebung zu studieren und das Bauvorhaben auf die Landschaft abzustimmen. Dieser „Genius Loci“, der die Südtiroler Architektur über Jahrhunderte geprägt habe, mache die Faszination des Landes aus. Doch Hempel fand auch kritische Worte zur derzeitigen Bauentwicklung: Der Schritt aus der Armut vergangener Jahrzehnte in den Wohlstand dürfe nicht den Ruin der Kulturlandschaften bedeuten. „Die Gewerbegebiete werden wie Kisten ohne Sensibilität vor die Dörfer gestellt: Die Südtiroler ruinieren in 20 Jahren mehr als sie in Jahrhunderten geschaffen haben“, sagte Hempel und am Innichner Senfter Platzl brandete spontan Applaus auf. Außerdem habe er den Eindruck, dass in Südtirol viel zu viel gebaut werde: „Wozu brauchen wir so viele Ferienwohnungen, wenn unsere Hotels meist dasselbe Angebot im Tourismus machen“, fragte Hempel und stellte fest, dass der expandierende Bau von Ferienwohnungen dazu führe, dass oft leere Wohnungen und Häuser in den Dörfern stünden und außerdem die Wohnungspreise dadurch in die Höhe getrieben würden.

Schriftleiter Moritz Windegger stellte weitere Beiträge aus der vorliegenden Nummer der Harpfe. Neben den Architekturbeiträgen finden sich auch wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte des Landes.

Altbürgermeister Josef Passler berichtete von der Restaurierung der ersten Harpfe in Südtirol (Putzerharpfe) und stellte weitere Restaurierungen im Raum Innichen und Sexten vor. Auf dem Platz entwickelte sich unter den Teilnehmern eine spontane Debatte zur Architektur. Eine Auswahl:

  • Ing. Josef Aichner, Mitglied der Baukommission: „In der Urbanistik sollten wir auch darauf achten, dass Gesetze vernünftiger formuliert werden. Außerdem brauchen wir mehr kompetente und vernünftig denkende Menschen in den Baukommissionen. Manchmal wünsche ich mir einen Schritt zurück bzw. dass wir uns wieder mehr an den Ideen von Alfons Benedikter orientieren.“
  • Hans Schmieder, Ersatzmitglied Baukommission: „Wenn man baut, geht es um eine Haltung. Auf diese Haltung der Bauwerber kommt es an. Heutzutage sind mächtige Lobbys am Werk, die die Baugesetze schreiben.“
  • Willi Sulzenbacher (Nachbar „Zin Senfter“): Sulzenbacher dankt Hempel/Rizzolli für deren klare Worte: „Die Betonklötze sind eine Frechheit. Wir ruinieren uns selber.“ Als Nachbar gratuliert er Architekten und der Familie Senfter. Allerdings stößt sich Sulzenbacher am Ensembleschutz: „Über mein Haus schaff nur ich“.
  • Dem entgegnet Rizzolli: „vom Grundbuch aus sind wir Eigentümer. Im Endeffekt sind wir Verwalter eines Wertes, der historisch gewachsen ist.“
  • Siegfried Egarter überreicht Rizzolli das Modell einer Harpfe als Dank für Einsatz und diese Veranstaltung.
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