Bruneck 100% erneuerbar?

Hanspeter Niederkofler, Grüne Bruneck

Die Gemeinde Bruneck hat kürzlich eine neue Auszeichnung entgegengenommen, den ersten Platz der „RES Champions League“ in der Kategorie der Kleinstädte. Bruneck ist sozusagen „Europameister“ in der Nutzung erneuerbarer Energie. Das ist erfreulich und gibt natürlich auch Anlass für großes Eigenlob seitens der Stadtverwaltung. Die Grünen, die sich seit Jahrzehnten auf allen Ebenen für erneuerbare Energien einsetzen, freuen sich über dieses Ergebnis. Es sind aber auch ein paar Anmerkungen angebracht.

Die RES Champions League ist eine Art „Meisterschaft“ in den erneuerbaren Energien Sonne und Holz, an der sich Gemeinden in sieben europäischen Ländern (Deutschland, Tschechische Republik, Polen, Bulgarien, Ungarn, Italien und Frankreich) beteiligen können (www.res-league.eu). Die nationalen Organisationen ermitteln die Gewinner der einzelnen Länder, unter denen dann der europäische Titel vergeben wird. Für Italien hat Legambiente Bruneck als „Comune rinnovabile 100%“ ausgezeichnet und für den europäischen Preis nominiert.

Ausschlaggebend ist die installierte Leistung pro Einwohner für Energie aus Holz und Sonne. Bruneck steht hier insbesondere mit seinem großen Heizwerk, das nicht nur Bruneck, sondern auch umliegende Gemeinden versorgt, sehr gut da. Die Fernwärme leistet einen wichtigen Beitrag für die Eindämmung der CO2-Emissionen und eine bessere Luftqualität. „100% erneuerbar“ ist das Heizwerk allerdings nicht, ca. 30% der Wärmeleistung wird mit Gas erbracht. Das mag technisch erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll sein, aber eine erneuerbare und klimaneutrale Energiequelle wird aus Erdgas dadurch nicht.

Generell sind solche Wettbewerbe natürlich zu begrüßen, weil sie Gemeinden dazu anspornen, auf erneuerbare Energie zu setzen. Die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse ist allerdings relativ, da sie sehr stark von lokalen Voraussetzungen wie der natürlichen Umgebung und der Gemeindegröße abhängen. Hackschnitzel-Heizwerke sind z. B. eine gute Option für kleine Alpengemeinden, aber kein europäisches Patentrezept, dafür würden die nachhaltig nutzbaren Ressourcen nicht ausreichen. Bruneck trifft hier auf günstige Voraussetzungen und hat diese gut zu nutzen verstanden.

Das entscheidende Maß für unsere Klimapolitik sind aber nicht die Emissionen vor Ort, sondern der gesamte, auch indirekte Energieverbrauch und damit in erster Linie unser Lebensstil. Wir müssen auch die Umweltbelastung einrechnen, die entsteht durch Produkte, die wir konsumieren und Dienstleistungen, die wir in Anspruch nehmen. Solange unser ökologischer Fußabdruck das global vertretbare Maß um ein Vielfaches übersteigt, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Solange z. B. unser Stromverbrauch stetig weiter ansteigt, werden die erneuerbaren Energien nicht in der Lage sein, den Ausstieg aus den fossilen Energien und der Kernkraft zu kompensieren. Der Energieverbrauch pro Kopf ist das Maß aller Dinge, und der muss drastisch reduziert werden, sonst haben wir keine Chance.

Hier kollidiert die ökologische Notwendigkeit aber mit der auch hierzulande herrschenden Wachstumsideologie. Solange mehr Konsum das oberste Ziel der Wirtschaftspolitik ist, solange es besorgte Schlagzeilen gibt, wenn z. B. der weihnachtliche Konsumtaumel einmal um einen halben Prozentpunkt zurückgeht oder auf der Brennerautobahn einmal etwas weniger LKW gezählt werden, solange im Land weiter fleißig in die Vermehrung des Verkehrs investiert wird durch Straßenbau und Zersiedelung und das Thema Mobilität in der Klimapolitik praktisch nicht vorkommt, so lange mögen wir zwar Fortschritte mit Klimahäusern, Heizwerken usw. feiern, aber die echte Nachhaltigkeit bleibt in weiter Ferne.

Das betrifft auch Bruneck. Eine effektive Reduzierung des Autoverkehrs in der Stadt scheitert nach wie vor an einer Mehrheit im Gemeinderat, für die die Blechlawine, die tagtäglich über unser Stadtzentrum hereinbricht, wohl immer noch ein Zeichen von Wohlstand und nicht von schlichter Unvernunft ist. Das Gerede von Nachhaltigkeit wird auch recht unglaubwürdig, wenn man z. B. den Fall „Projekt Ried“ betrachtet – ein ökologischer Unsinn und ein Paradebeispiel für Grünfärberei. Auch bei sehr optimistischen Annahmen kommt die Klimabewertung zum Schluss, dass das Projekt 700 Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen im Jahr produziert. Der Genehmigungsweg ist voll von Verstößen und Handstreichen, der Umgang mit der Volksbefragung war eine Verhöhnung der Bevölkerung, die mehrheitlich gegen das Projekt ist. Solche „Leistungen“ gehen freilich nicht in die Punktetabelle ein.

07.06.2011
Hanspeter Niederkofler

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4 Antworten auf Bruneck 100% erneuerbar?

  1. HP Niederkofler sagt:

    Der Beitrag ist nicht als Miesmacherei zu verstehen, wir haben Positives immer anerkannt und mitgetragen. Das Fernheizwerk z. B. haben die Grünen von Anfang an klar unterstützt und haben sich dafür eingesetzt, dass es mit Biomasse betrieben wird und nicht vollständig mit Gas, wie es damals das Land gewollt hätte. Diese Meinung hat sich zum Glück auch durchgesetzt.
    Natürlich soll man sich über das Erreichte freuen und Erfahrungen weitergeben, aber es soll eben auch kein Beruhigungsmittel daraus werden, nach dem Motto “wir haben ja das Fernheizwerk, wir tun eh schon viel”, wie das immer wieder einmal durchschimmert. Die eigentliche Partie spielt auf einer ganz anderen Ebene und betrifft jede/n von uns persönlich. Natürlich ist erneuerbare Energie auszubauen und zu fördern, aber wenn das allgemeine Motto “maximale Produktion und maximaler Konsum” bleibt, dann führt das nirgends hin.
    Hanspeter Niederkofler

  2. BruneckFremder sagt:

    Gleich vorweg: Ich bin nicht aus Bruneck, beschäftige mich jetzt aber schon länger mit der Energieproblematik, dem Thema Klimawandel usw…
    Ich kann Gesagtem nur zustimmen: Wenn man etwas gewonnen hat, soll man dies einmal nutzen, um einfach zu feiern. Ihr habt es euch verdient, die Anstrengungen waren keine kleinen, sie wurden gemeistert. Und man darf sich nicht darauf ausruhen – wie auch gesagt, solange die Wirtschaft wächst, ist alles nur eine Lösung für kurze Dauer. Mehr Strom muss her, um noch mehr elektrische Spielereien zu betreiben, usw… kennt man ja. Kennen alle.
    Aber wie bringt man den Leuten bei, dass sie nicht auf das hören sollen, was ihnen täglich aus allen Kanälen entgegen schallt? Wir stecken da ziemlich in einem Teufelskreis – der von Einzelnen durchbrochen werden kann und muss. Wahrscheinlich so lange, bis die Einzelnen zu einer kritischen Masse geworden sind. Frage ist: wie lange wird das wohl dauern?

  3. forumonline sagt:

    Kompliment an Hanspeter: Seine Argumente sind – wie er schon oft bewiesen hat – immer sehr fundiert und einleuchtend!

    Claudia Plaikner
    080611

  4. forumonline sagt:

    Schlechtes Gewissen

    Miesmacher

    Hallo Walter,

    hallo Hanspeter,

    ich kann den zugeschickten Artikel zu 100% unterschreiben.

    Dennoch hab ich die zwei Überschriften an eure Wand „geschmiert“.

    Um eines vorweg zu nehmen: im Grunde genommen ist es UNSERE Wand, da ich mich zu euch zähle.

    Für dieses interne Forum sehe ich diese Art der Berichterstattung bzw. das Geraderücken von Zeitungsberichten als gut.

    Wenn die angeführte Meinung in dieser Form allerdings nach außen gebracht wird, habe ich folgende Befürchtung:

    Wir werden tagtäglich mit negativen Schlagzeilen zugeschüttet. Zudem sind die Anforderungen die andere und wir selbst an uns stellen so hoch, dass wir sehr oft an unsere Grenzen kommen.

    Und jetzt passiert etwas: wir werden als Sieger gefeiert – wir gehören nicht nur zu den Besten, wir sind die Besten!

    Nun hat es den Anschein, dass dieser 1.Platz uns mies gemacht wird.

    Global gesehen sind wir nur die Besten den größten Energieverschwender, also die Besten der Schlechtesten.

    Im Grunde genommen wird uns zurecht ein schlechtes Gewissen gemacht.

    Das ist für mich in dem Moment akzeptabel, wo auch klare konkrete Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie ich zu einem besseren Pro-Kopf-Ausstoß beitragen kann.

    Und diese Umkehrung wieder ins Positive fehlt mir oft.

    Außerdem gibt es in meinen Augen Momente wo gefeiert werden soll und Zeiten wo Kritik angebracht ist.

    Diese zu vermischen, kann zu einem Eigentor führen.

    Bin wie ihr der Meinung, dass wir uns nicht auf Lorbeeren ausruhen sollen, sondern die Ärmel zurückstürzen sollen und es im Positiven noch besser werden soll.

    Mit mehr positiven Vorschlägen zu einem positiveren Image.

    Vom „Nein-Sager“ zum „Ja-Sager“.

    Ja zu einem gesünderen, angenehmeren Leben.

    Ja zu Weltmeistern des Ressourcen schonenden Genusses.

    oder wie es Obama im mittlerweile fast vergessenen Satz positiv ausdrückte: Yes, we can!

    In diesem Sinne bedanke ich mich ganz herzlich für euren großen unermüdlichen Einsatz, den viele zu schätzen wissen und wünsche uns allen, dass wir es gemeinsam schaffen die Kopf, Herz und Hand die Welt besser zu machen oder wie es ein Techniker ausdrücken würde „die Prozesse zu optimieren“.

    SG Gerd Steger
    080611