Arnold Tribus: Tag der Arbeit, TZ, 28. April 2011

Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, ein hoher Fest- und Feiertag der internationalen Arbeiterbewegung, sollte es so was überhaupt noch geben. Der 1. Mai ist ein Kampftag, bei dem Arbeiter in aller Welt ihrer Errungenschaften gedenken – wie des Acht-Stunden-Tages, der ja nicht geschenkt, sondern mühsam erkämpft werden musste. Der 1. Mai wurde deshalb von den Gewerkschaften und den Parteien der Arbeiter, Sozialis­ten und Kommunisten immer mit großen Kundgebungen gefeiert. ArbeiterInnen trugen die rote Nelke im Knopfloch, ein Zeichen der Gleichgesinnten, ein Symbol der Arbeiterbewegung (deshalb führten auch linke Parteien die rote Nelke im Parteilogo), zogen durch die Straßen, demonstrierten ihre Macht. Und danach wurde ausgiebig gefeiert. (Der ehemalie Landesrat Otto Saurer, heute noch bekennender Sozialdemokrat oder Sozialist, ich weiß es nicht, ließ es sich seit Jahrzehnte nicht nehmen, den 1. Mai in Wien zu verbringen, wo die größte Mai-Feier Europas stattfand, und er kam immer aufgetankt zurück, mit neuer Kraft und neuem Mut, sich für die Rechte der Schwächeren einzusetzen.) Aber nun, so scheint es, fällt auch das letzte gewerkschaftliche  Tabu: Am 1. Mai sollen die Geschäfte offen bleiben, das fordern die Kaufleute, und die Bosse der großen Gewerkschaften CISL und UIL haben wissen lassen, dass man da jede Gewerkschaft lokal entscheiden lassen solle, man möge das vereinbaren und dafür eine notwendige Kompensation finden. Man müsse auch dem Handel entgegenkommen, der sich in einer Krise befinde, 2010 sollen in Italien 60.000 kleinere Handelbetriebe geschlossen haben, also müsse man Arbeitsplätze erhalten. Heute gibt es keine heiligen Kühe mehr, und jene, die es noch gibt, sollen schleunigst geschlachtet werden mit Hilfe der Gewerkschaften. Man müsse sich den neuen Lebensstilen anpassen, die wollen, dass jeder Mensch jederzeit alles kaufen könne. Man könne doch nicht Millionen in die Kulturstädte lotsen und dann am Sonntag oder an Weihnachten, Neujahr oder an Ostern oder eben am 1. Mai die Geschäfte geschlossen halten. Geht nicht. Wir müssen ja alles den Amerikanern nachmachen. Und dann reicht der Tag natürlich nicht aus. Der Kunde hat doch das Recht, auch in der Nacht bedient zu werden. Also müssen auch nachts Geschäfte offen sein. Wenn ein betrunkener Idiot nach Hause kommt, sein Kühlschrank leer ist und er Nudeln kochen will oder noch eine Flasche Wodka trinken will, braucht es einen Shop, der ihm das bietet. Der Mensch muss rund um die Uhr versorgt werden. Ist doch schön, oder? Trendy. Der Duft der Großstadt. So dumm sind wir geworden. Und provin­ziell. Wir müssen ja alles nachmachen wie die jungen Affen. Bis wir im Konsumchaos ersticken. Und so geben wir alle verbrieften Rechte auf, jeden Anstand und jede Würde, jeden Respekt vor dem Recht auf Ruhe.  Das alles kann passieren, weil heute auch niemand mehr auf die Einhaltung dieser kleinen Rechte pocht. In der Tat hat sich das Leben verändert. Wir sind alle verwöhnt, die Angestellten werden sanft genötigt, freiwillig auch an sich freien Tagen zu arbeiten. Wer wird denn schon den Sonntag heiligen? In das Einkaufszentrum kann man auch am Mittwoch fahren, dazu braucht es in der Tat keinen Sonntag. Die bisherige Gesellschaftsstruktur löst sich auf. Man lebt nur mehr für den Konsum. Was ist die Lieblingsfreizeitbeschäftigung der neuen Generationen: shoppen! Also wird dem Konsum alles untergeordnet. Unser Leben, unsere Gewohnheiten, unser Lebensstil. Das christliche Abendland.
Irgendwie ist dieser Ausverkauf der Arbeiterrechte auch deshalb leicht, weil die Gewerkschaften schon lange an Durchschlagskraft und Autorität verloren haben. Im Falle vom 1. Mai bestellen die Kaufleute, und die Gewerkschaften ziehen nach. Auch wenn die Gewerkschaften dagegen sind, bleiben die Läden trotzdem offen. Man kann den 1. Mai ruhig abschaffen.
Nur das Fest  des ASGB mit der rotlippigen Priska in Völs muss bleiben!

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