Zur Erinnerung – Schlossgarage: Standortbewertung Grüne Ratsfraktion, März 2011

Die Idee, einen größeren Parkplatz bzw. eine Tiefgarage im Bereich Schlossberg zu errichten, gibt es schon seit vielen Jahren. Das Vorhaben hat schließlich Eingang in das Brunecker Mobilitätskonzept gefunden, das der Gemeinderat im Januar 2008 genehmigt hat. Darin wird die Funktion der „Parkgarage Zentrum Süd“ wie folgt beschrieben (techn. Bericht Dez. 2007, S. 63): 
„Damit der nach Bruneck von Süden einfahrende Verkehr (…) eine Parkgelegenheit vorfindet, ohne das Zentrum zu belasten, wird die Errichtung einer Parkgarage vorgesehen. (…) Positiver Nebeneffekt dieser Parkgarage ist, dass sie die Funktion eines Auffangparkplatzes übernimmt, sich gleichzeitig aber durch ihre Zentrumsnähe auszeichnet.“ Hauptfunktion ist es also, den von Reischach und der Südausfahrt kommenden Verkehr mit Ziel Stadtzentrum zu einem größtmöglichen Teil vor der Reischacher Kreuzung abzufangen, sonst besteht die Gefahr, dass die Südausfahrt zu einer Verschlechterung der Verkehrssituation im Bereich Graben-Pacherstraße führt. Um diese Funktion erfüllen zu können, muss die Garage für die meisten Zielorte des Stadtzentrums günstig liegen, sonst wird sich ein großer Teil des Autoverkehrs uf der Suche nach günstigeren Parkmöglichkeiten ins Zentrum ergießen und das Konzept geht nicht auf.

Auch mögliche Verkehrseinschränkungen wie ein Einbiegeverbot Richtung Graben werden nicht wirksam sein, wenn die Schlossgarage nicht attraktiv liegt. Die Erfahrung lehrt, dass Verkehrsregelungen auf Druck hin jederzeit abgeändert werden, auch wenn das den Planungen und Konzepten widerspricht. So ist z. B. am Graben eine Einfahrt in die Rathausgarage gebaut worden, obwohl das in der Planungsphase ausdrücklich ausgeschlossen worden war.

Neben der Position der Garage spielen auch die Gestaltung und vor allem der landschaftliche Eingriff eine wesentliche Rolle, da der Schlossberg und seine Umgebung ein Gebiet sind, das besondere Rücksicht verdient.

Zur Auswahl stehen de facto zwei Standorte: die Schlosskurve westlich des Schlosses, wo es schon einen kleinen Parkplatz gibt, sowie die Schlosswiese südöstlich des Burghügels.

Schlosskurve
Schlosswiese

Arch. Thomas Winkler hat in einer Bewertung im Auftrag der Gemeindeverwaltung im November 2009 alle anderen Vorschläge, u. a. eine Tiefgarage unter dem Graben, verworfen und den Standort Schlossbergkurve am höchsten bewertet, vor allem was das Kriterium Nähe zum Stadtzentrum anbelangt.

Im April 2010 ging der Bürgermeister gegenüber der Verkehrskommission die Verpflichtung ein, für beide noch in Frage kommenden Standorte konkrete Gespräche mit den Grundbesitzern zu führen. Seitdem war die Stadtverwaltung aber nur für den Standort Schlosswiese aktiv und hat mit den privaten Grundbesitzern Gespräche geführt, während es zum Standort Schlossbergkurve, der Eigentum der Fraktion Bruneck ist, keine ernsthaften Kontakte gegeben hat.

Auch aus der Antwort des Bürgermeisters auf unsere Anfragen vom Juni 2010 und Januar 2011 lässt sich recht klar ablesen, dass die Gemeindeverwaltung sich bereits für den Standort „Schlossbergwiese“ entschieden hat und die Lösung „Schlossbergkurve“ ignoriert. Diese einseitige Haltung ist absolut nicht gerechtfertigt und wirft Zweifel über die eigentlichen Gründe dieser Bevorzugung auf.

Außer der erwähnten Bewertung von Arch. Winkler liegt seit Januar 2011 eine des Büros Bergmeister vor, die keinem der beiden Standorte den Vorzug gibt, allerdings eine klare Fehleinschätzung enthält, weil sie die verkehrsmäßige Bedeutung des Gebiets östlich der Oberstadt überbewertet. Eine gemeindeinterne Bewertung, der Kaufleuteverband, der Tourismusverein und der HGV sprechen sich für die Schlosswiese aus. Wichtige Gutachten von Fachleuten fehlen allerdings – laut Antwort des Bürgermeisters lag im Januar 2011 nichts bezüglich Denkmalschutz, Landschaft oder Geologie vor.

Der Bürgermeister hat mehrfach betont, dass es bezüglich Schlossgarage um „die beste Lösung für Bruneck“ gehe, unabhängig davon, wem die Gründe gehören. Auf der Suche nach dieser Lösung legt hiermit die Grüne Ratsfraktion ihre Bewertung der beiden Standorte vor. Diese folgenreiche Entscheidung soll schließlich nicht ohne fundierte Argumentation getroffen werden.

Standort und Auswirkung auf den Verkehr

Für dieses wichtigste Entscheidungskriterium vergleichen wir anhand einer Liste von Zielorten im Bereich des Stadtzentrums die effektiven Fußwege von
den Parkplätzen aus.

 

 

Schlosskurve

Schlosswiese

1

Untere Stadtgasse, Stadtbibliothek

190 m

510 m

2

Mittlere Stadtgasse, Apotheke

220 m

420 m

3

Obere Stadtgasse, Rienztor

270 m

250 m

4

Oberragen, Mariensäule

300 m

170 m

5

Graben, Passage Mair

270 m

590 m

6

Graben, Florianitor

270 m

470 m

7

Oberer Graben/Groß-Gerau-Promenade

380 m

390 m

8

Graben/Rathausplatz

300 m

640 m

9

Gilmplatz

320 m

510 m

10

Rathaus

390 m

720 m

11

Postamt

470 m

780 m

12

Stegener Straße, Raiffeisencenter

400 m

620 m

13

Herzog-Sigmund-Straße

390 m

510 m

14

Seeberstraße, Waldebrücke

500 m

570 m

15

Bruder-Willram-Str., Stadtmuseum

350 m

330 m

16

Kapuzinerplatz, Michael-Pacher-Haus

430 m

420 m

17

Sternhof

500 m

480 m

18

Paternsteig, Sozialsprengel

700 m

680 m

19

Ragenhaus

450 m

200 m

20

Friedhof

490 m

310 m

21

Michael-Pacher-Straße, INPS

410 m

820 m

22

Romstraße

440 m

850 m

23

Kino

300 m

700 m

24

Schloss Bruneck

220 m

140 m

Die 24 Zielorte
Gebiete, die in 5 Minuten Gehzeit (300 m) von den Parkplätzen aus errreichbar sind. Überschneidungen der beiden Standorte sind strichliert dargestellt.

Das Ergebnis ist eindeutig, umso mehr wenn man bedenkt, dass nicht alle Punkte gleichwertig sind. Im engeren Stadtzentrum – Stadtgasse und Graben – gibt es nicht nur einzelne Anziehungspunkte, hier konzentrieren sich Handel, Dienstleistungen und Verwaltung. Hier halten sich tagsüber die meisten Menschen für Arbeit, Einkaufen, Erledigungen und Freizeit auf, wobei ein wesentlicher Teil von ihnen von außerhalb Brunecks kommt. Dieser Bereich wird vom Standort Schlosskurve aus sehr gut abgedeckt, während die Distanzen von der Schlosswiese zur unteren Stadtgasse und zum Graben schon nicht mehr sonderlich attraktiv sind.

Die Schlosswiese erschließt hingegen das Gebiet um die Pfarrkirche, das allerdings für die überörtliche Mobilität von sehr geringer Bedeutung ist – Pfarrkirche und Friedhof werden überwiegend von Leuten aus der Pfarrei Bruneck besucht. Ansonsten handelt es sich vorwiegend um ein Wohngebiet, die einzige bedeutende öffentliche Einrichtung ist das Ragenhaus. Für die Musikschule gibt es gute Gründe für eine Verlegung, aber auch wenn sie dort bleiben sollte, kann sie wohl nicht die Ansiedlung einer Tiefgarage mit hunderten Stellplätzen an einem ansonsten schlecht geeigneten Ort rechtfertigen.

Als Argument für die Schlosswiese wird häufig die „Aufwertung der Oberstadt“ genannt. Was damit genau gemeint sein soll, bleibt dahingestellt. Seit sie verkehrsberuhigt ist, hat sich die Oberstadt durchaus vorteilhaft entwickelt, sie stellt in Ergänzung zur Stadtgasse den ruhigen, zum Verweilen einladenden Teil der Altstadt dar, der sowohl bei der ansässigen Bevölkerung als auch bei den Feriengästen sehr beliebt ist. Neben Lokalen gibt es hier auch ein vergleichsweise differenziertes Angebot an Geschäften.

Die Oberstadt ist im übrigen auch vom Standort Schlosskurve aus in 4 bis 5 Minuten Gehzeit bequem zu erreichen, über die Rainkirche oder über eine kurze Passage durch den Schlossberg, für die der bestehende Bunker verwendet werden kann.

Es bleibt natürlich weiterhin wünschenswert, die Oberflächenparkplätze im Bereich Oberstadt zu reduzieren und insbesondere das Rienzufer aufzuwerten, aber auch dafür ist keine Riesengarage in der Schlosswiese zu rechtfertigen. Außerdem dienen diese Parkplätze heute in erster Linie nicht der Oberstadt, sondern der Stadtgasse.

Gegen den Standort Schlosskurve wird auch ins Feld geführt, dass er sich mit der Rathausgarage überschneide. Dies ist aber nur im Bereich Graben und untere Stadtgasse der Fall, dabei handelt es sich aber um das Stadtzentrum, das auf jeden Fall von beiden Garagen bedient werden muss. Außerdem hat die Rathausgarage die Funktion, den Verkehr aus Norden und Westen aufzunehmen, die Schlossgarage den Verkehr aus Süden und Osten – es besteht also keine Konkurrenz, sofern man wirklich eine Verkehrsreduzierung im Stadtzentrum erreichen will.

Es besteht auch ein gewisser Verdacht, dass von mancher Seite die Schlosswiese favorisiert wird, weil man in einem nächsten Schritt beabsichtigt, eine weitere Tiefgarage im Stadtzentrum zu errichten, etwa unter dem Graben. Ein derartiges Ansinnen lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab, es widerspricht dem Verkehrskonzept und jeder vernünftigen Verkehrsplanung. Der alte Baumbestand ist absolut zu schützen und der Graben darf nicht auch noch zu einer toten Oberfläche werden, wie es alle Plätze auf Tiefgaragen sind. Arch. Winkler hat im übrigen den Standort Graben in seiner Bewertung klar verworfen, auch aus Kostengründen.

Landschaftlicher Eingriff

Der Schlossberg und seine Umgebung ist ohne Zweifel ein landschaftlich sensibles Gebiet, das besondere Sorgfalt erfordert. Der Standort Schlosswiese liegt direkt am Schlossberg an und eine mehrgeschossige Tiefgarage samt Zufahrt stellt hier auf jeden Fall einen schweren Eingriff dar. Auch wenn die Oberfläche wieder hergestellt wird, verändert die Garage die südöstliche Seite des Schlossbergs wesentlich, das Wäldchen beim Kronplatzweg würde den Bauarbeiten zum Opfer fallen. Auch die Errichtung der Ein- und Ausfahrt, der Lüftungsschächte sowie einer Notzufahrt ist nicht ohne schwerwiegende landschaftliche Eingriffe machbar.

Der Standort Schlosskurve berührt hingegen den Schlossberg nicht direkt und steht an einem Ort, der bereits von der Straße geprägt ist. Aber auch hier ist natürlich größte Sorgfalt bei der Einfügung und Außengestaltung geboten.

Eine definitive Bewertung aus landschaftlicher und denkmalschützerischer Sicht ist erst möglich, sobald ein Ausführungsprojekt vorliegt, was bislang nicht der Fall ist.

Ausführung

In der Art des Baus unterscheiden sich die beiden Standorte wesentlich. In der Schlosswiese ist eine mehrgeschossige Tiefgarage vorgesehen, in der Schlosskurve handelt es sich um offene Parkdecks, die von Tageslicht beleuchtet werden. Aus ästhetischen Gründen wird die Anlage gegen den Schlossberg hin mit einer Fassade abgeschlossen, die begrünt wird. Offene Parkdecks werden im allgemeinen besser angenommen als unterirdische Tiefgaragen, auch das ist ein Punkt zugunsten des Standorts Schlosskurve.

Von der Schlosswiese führt ein Weg Richtung Zentrum. Von der Schlosskurve aus verlaufen die ober- und unterirdischen Zugangswege sternförmig und bieten nebenbei die Möglichkeit, die Begehbarkeit des Schlossbergs zu verbessern – z. B. mit Hilfe eines Aufzugs – und so auch das Schloss optimal an die Innenstadt anzubinden.

Finanzierung

Für die Schlosswiese liegt nach bisherigen Informationen ein Finanzierungskonzept vor. Die privaten Bauträger sollen den Bau über den Verkauf von privaten Stellplätzen finanzieren und der Gemeinde die öffentlichen Parkplätze zur Verfügung stellen. Bei der Schlosskurve hingegen hat es die Gemeindeverwaltung bislang nicht interessiert, wie es mit einer möglichen Finanzierung aussieht. Es ist allerdings nicht einleuchtend, weshalb dort keine Lösung möglich sein sollte, ist der Standort doch wesentlich attraktiver und der gesamte Grund in öffentlichem Besitz. Eher ist wohl die Frage zu stellen, weshalb man hier einem privaten Projekt von vornherein den Vorzug geben will, obwohl wesentliche Argumente nicht zu seinen Gunsten sprechen.

Fazit

Der Standort Schlosskurve schneidet in der Bewertung der verkehrstechnischen Funktion wesentlich besser ab und ist auch aus Gründen des Landschaftsschutzes vorzuziehen. Die Unterschiede sind dabei so markant, dass es für uns außer Zweifel steht, dass der Standort Schlosskurve zu bevorzugen ist.
Die Grüne Ratsfraktion besteht auf eine ausführliche, sachliche Information und einen transparenten Entscheidungsprozess. Hier steht viel auf dem Spiel. Wenn die Südausfahrt nicht zu zusätzlichen Verkehrsproblemen im Stadtzentrum führen soll und wenn es für uns ein Ziel bleibt, Bruneck ein lebendiges, nicht vom Autoverkehr belastetes Stadtzentrum von der Ex-Saatbau bis zur Oberstadt zu ermöglichen, dürfen wir hier keine Fehlentscheidung treffen.

Bruneck, 7. März 2011
Grüne Ratsfraktion

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Eine Antwort auf Zur Erinnerung – Schlossgarage: Standortbewertung Grüne Ratsfraktion, März 2011

  1. forumonline sagt:

    Ich schließe mich im Namen der Brunecker Fraktionsverwaltung dieser Bewertung vollinhaltlich an.

    Walter Harpf, Fraktionsvorsteher Bruneck/Stadt