HPV zu neuem Raumordnungsgesetz, 20.2.18

Heimatpflegeverband Südtirol: Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge zum neuen Gesetz für Raum und Landschaft.

An die Mitglieder der II. Gesetzgebungskommission des Südtiroler Landtages

Sehr geehrte Abgeordnete und Mitglieder der Gesetzgebungskommission.

Ich erlaube mir im Anhang einige Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge zu einigen Artikeln im neuen Gesetz für Raum und Landschaft anzubringen, wobei ein definitives Urteil über die Qualität und die Auswirkungen des Gesetzes erst dann abgegeben werden kann, sobald alle Durchführungsbestimmungen vorliegen.

Art. 1 + 2: Landesrat Theiner wollte diese beiden Artikel nicht mehr anrühren, weil die Wirtschaft auch Änderungen haben wollte. Leider steht m.E. kaum Wesentliches drinnen, was die Landschaft wirklich schützt. Im Gegenteil, hier muss der markierte Passus von Art. 2, Abs. 1, e) die Aufwertung des ländlichen Raums unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft gestrichen werden, weil man damit jede Untat begründen kann und jeden Rekurs dagegen verliert. Zudem muss man unbedingt den Vorrang für den Natur- und Landschaftsschutz verankern, ansonsten ist dieser für immer verloren.

Art. 4 – Gemeindekommission f.R.u.L. (Baukommission):
Das vor 2000 vorhandene und in der ersten Version vorgesehene Recht des Landessachverständigen zur Weiterleitung eines umstrittenen Projektes an die LKRL wurde herausgestrichen. Das soll zwingend wieder eingeführt werden, weil es eine Stärkung der Position des Landessachverständigen ist.

Art. 7. Landschafts- und Rauminformationssystem LARIS.
Forderung: Alle Änderungen an Bauleitplan, Bestimmungen und Durchführungsplänen müssen für die Bürger jederzeit im Netz nachverfolgbar sein, indem in einer chronologischen Liste alle inhaltlichen und graphischen Änderungen, die betroffenen Parzellen, etc. fortlaufend aufgelistet werden. Dadurch lassen sich auch gewisse Vorgänge nachvollziehen. Das alles ist zum Schutz und zur Information der Bürger wichtig. Ebenso gilt das auch für alle Raumordnungsvereinbarungen und für die vertraglich notwendigen Nachweise von Pachtgrundstücken und anderen Verpflichtungen für Baurechte.

Art. 19: Wertausgleich: Für die Gewerbezonen wurde dieser zuerst aufgeweicht und dann gänzlich gestrichen, indem man die Gewerbezonen auch mit Siedlungsgrenzen umgibt (die dann jeweils erweitert werden…). Ob der Wertausgleich gänzlich fällt, wie es der SBB will? Mal sehen ob sich das Land zum Vorteil für die Gemeinden durchsetzt.

Art. 20. Raumordnungsvereinbarungen sind weiterhin und wieder viel vereinfachter möglich! Es gibt auch keine 100%ige Konventionierung mehr wie bisher. Das wird ein Spielfeld für Spekulanten! Frage: Können mit ROV womöglich sogar Gebäude auch außerhalb der Siedlungsgrenzen errichtet werden??
Um kurzfristigen Spekulationen vorzubeugen, sollte der heute bestehende Passus eingebaut werden (Art. 40bis, Abs.6): „Der Vertragspartner muss seit mindestens 5 Jahren mehrheitlich Eigentümer der vertragsgegenständlichen Liegenschaft sein, ausgenommen bei Schenkungen und Erbschaften.“ Als Kompromiss könnten die 5 Jahre auch auf 2-3 reduziert werden. Im Übrigen wären Raumordnungsvereinbarungen teils eine sinnvolle Möglichkeit, aber vielfach sind es hauptsächlich Geldbeschaffungsmaßnahmen für die Gemeinden und gewiss nicht zum Nachteil der Spekulanten (siehe Bruneck: Deal Grebmer mit Grund Eisstadion für Baurechte in Dietenheim).

Art. 36, Abs. 5 – Geschlossene Höfe: Erhöhung der Wohnkubatur auf 1500 m3�
Das ist eindeutig zu viel. Damit werden sicher noch mehr Ferienwohnungen gebaut und die Einschränkung auf fünf Ferienwohnungen bzw. acht Zimmern wird voraussichtlich fallen. Zudem kann man weiterhin für den Nebenerwerb noch 130 m2 (=ca. 500 m3!) verbauen, auch wenn das als landwirtschaftliche Kubatur deklariert wird.

Art. 36, Abs. 8: „Die Aussiedlung der Hofstelle oder von Wirtschaftsgebäuden aus dem Siedlungsgebiet ist zulässig, wenn dies wegen objektiver betrieblicher Erfordernisse notwendig ist …“. Diese Forderung ist leicht zu belegen. Es kann also weiterhin ohne Probleme zersiedelt und ins Grün gebaut werden und durch Verkauf, Abbruch und Neubau der alten Hofstelle wird spekuliert und das Ortsbild zerstört.

Art. 47, Abs. 7 – Grün-Grün Kommission: Jährlich beschließt diese Kommission die enorme Anzahl von etwa 300 Bauleitplanänderungen. Es ist deshalb eine dringende Änderung der Zusammensetzung dieser einseitig besetzten Kommission erforderlich. Derzeitige Zusammensetzung: Bürgermeister, Forst, Landschaftsschutz. Dieselbe Kommission entscheidet auch über umstrittene Aussiedlungen von Höfen. Forderung: Zwei Vertreter von der Abteilung NRL.

Art. 50 GProRL:�Landesrat Theiner behauptet, dass die Gemeindepläne mit den Siedlungsgrenzen für 10 Jahre unangetastet bleiben. Frage: Stimmt das?
In der Praxis ist das aber kaum möglich noch unbedingt sinnvoll. Wenn keine Änderung möglich ist, werden wohl bereits bei der ersten Erstellung die Siedlungsgrenzen so weit als möglich gezogen. Wenn allerdings Änderungen möglich sind, dann besteht das Problem, dass dauernd Anpassungen für Privatinteressen und Spekulanten gemacht werden, gerade auch für die Raumordnungsvereinbarungen!�
Deshalb ist die Abgrenzung der Siedlungsgrenzen die große Herausforderung. Es wird ein Schauspiel der Interessen sein! Und es wird viele solcher Situationen mit gewünschten Ausweisungen außerhalb des normalen verbauten Kerns geben, welche der Landesrat als undenkbar aufgezeichnet hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass viele davon dann politisch auch durchgesetzt werden und dass die Abgrenzung der Siedlungsgrenzen sehr großzügig ausfallen wird, damit man überall Spielräume hat, innerhalb derer man völlig autonom ist.�

Probleme für Gemeinden
Die meisten Gemeinden werden völlig überfordert sein mit den zusätzlichen Zuständigkeiten und mit der Handhabung der Bautätigkeit wie z.B. Art. 70 – Freie Maßnahmen. Die Gemeinde wird durch den terminlichen Zeitdruck und der überstrapazierten Bürgerfreundlichkeit dauernd unter Zugzwang sein. Streitfälle mit begonnenen Arbeiten sind vorprogrammiert. Da hat mir auch der Landeshauptmann zugestimmt.�Aber auch das Land wird mit der fast zeitgleichen Behandlung der 116 Gemeindepläne auch wegen der kurzfristigen Termine alles nur sehr oberflächlich machen können!!! Chaos ist vorprogrammiert.�

Die Landschaftsschutzkommission wird abgeschafft, aber die Landesregierung kann Unterkommissionen errichten. Wenn das so ist, dann sollte das im Gesetz festgelegt werden.�Auch das kompetente Kollegium für Landschaftsschutz wird abgeschafft. An wen gehen dann die Rekurse von abgelehnten Projekten aus Gemeinden und Land? Wird es eine weitere Unterkommission der LKRL?

Massive Kritik wegen Bedeutungslosigkeit des Ensembleschutzes
Der Ensembleschutz hat nun offensichtlich keine Bedeutung mehr! Es gibt nur vage informative Hinweise ohne Verbindlichkeit (Art.11.1.b; Art.15.2.) aber keine Verpflichtung zur Ausweisung durch die Gemeinden! Der Ensembleschutz darf deshalb nicht allein Kompetenz der Gemeinden sein und der bisherige Art. 25 im LROG sollte sinngemäß wieder einfügt werden (s.u.).

Art. 25 (Ensembleschutz)
(1) Gesamtanlagen (Ensemble), insbesondere Straßen, Plätze und Ortsbilder sowie Parkanlagen und Gärten samt Gebäuden, einschließlich der mit solchen Gesamtanlagen verbundenen Pflanzen, Frei- und Wasserflächen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, werden im Bauleitplan unter besonderen Schutz gestellt.
(2) Die Landesregierung erlässt die Kriterien für die Festlegung des Ensembleschutzes und setzt einen Sachverständigenbeirat mit beratender Funktion ein. Im Falle von Änderungen am Bauleitplan, welche die unter Ensembleschutz stehenden Gesamtanlagen betreffen, wird ein Vertreter des Sachverständigenbeirates gemäß Artikel 2 Absatz 4 zu den Sitzungen der Landesraumordnungskommission eingeladen.
(3) Die Gemeinden erstellen innerhalb von zwei Jahren ab In-Kraft-Treten der Kriterien laut Absatz 2 ein Verzeichnis der Liegenschaften, die unter Ensembleschutz zu stellen sind, und verabschieden die entsprechende Änderung am Bauleitplan im Sinne vom Artikel 21 Absatz 1. Ab Beschlussfassung gilt die Bausperre laut Artikel 74 Absatz 2.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und Berücksichtigung dieser Anregungen und Kritikpunkte verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Albert Willeit
Heimatpfleger

20.02.2018.

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