Das Messner-Interview: „Zurück auf die Kartoffeläcker …“

In Reinhold Messner hat LH Arno Kompatscher einen (wort-)starken Verbündeten im Kampf um den Flughafen bekommen. Im TAGESZEITUNG-Interview rechnet Messner mit den „Fundamentalisten“ ab und sagt: Man könne auch die MeBo wieder zuschütten.

TAGESZEITUNG: Herr Messner, wird der Kampf um den Bozner Flughafen Ihr 15. Achttausender?

Reinhold Messner: Nein, es ist nicht meine Aufgabe, für den Flughafen zu kämpfen. Ich bin alt, ich brauche keinen Flughafen mehr. Es geht darum, dass diese fundamentalistische Diskussion endlich einen sachlichen Boden bekommt. Ich kann es nicht mehr hören, wenn die Leute sagen: Das ist viel zu teuer! Denn dann frage ich: Im Verhältnis zu …?

Sie wollen damit sagen?

Was ist mit der Vinschger Bahn, die 100 Mal soviel gekostet hat? Den Flughafen brauchen wir in erster Linie für den internationalen Tourismus. Wir brauchen die Leute aus London, aus Manchester, aus Amerika, auch aus Asien. Denen müssen wir die Möglichkeit geben, unser Land zu besuchen.

Glauben Sie nicht, dass diese Leute auch ohne Airport nach Südtirol kommen?

Nein! Es kommen einige Leute nicht, die wir unbedingt brauchen.

Die wären?

Die Einkäufer, beispielsweise. Wie soll Technoalpin konkurrieren mit ähnlichen Unternehmen, wenn der chinesische oder der indische Investor nicht nach Bozen fliegen kann, um sich diese Produkte anzuschauen? Ich habe das selbst erlebt, dass solche Leute irgendwo abgeholt wurden und gesagt haben: ,Das nächste Mal kommen wir nicht, wenn wir rund um die Welt fliegen und am Ende fast zu Fuß gehen müssen.’

Aber genau diese Leute fahren in Peking oder in Neu Delhi ja auch ein, oder zwei Stunden, bis sie auf dem Flughafen sind, also kann man davon ausgehen, dass sie auch die Taxifahrt von Innsbruck oder Verona nach Bozen überleben …

Schauen Sie: Wir sollten alle mal zum Jungfraujoch fahren, dem derzeit beliebtesten Skiort weltweit …

Ins Berner Oberland?

Ja, die Leute fliegen nach Bern. Da kommen an Wochenenden 15 bis 20 Chartermaschinen an, 80 Prozent der Gäste sind Asiaten und Amerikaner. Warum sollen wir auf die besten Gäste, die früher kamen, verzichten? Vor 150 Jahren kamen nur Engländer, die haben den Tourismus bei uns aufgebaut. Diese Leute können nicht von London mit dem Auto oder mit dem Zug nach Südtirol zum Skifahren oder Wandern kommen. Das ist zu umständlich. Diese Leute kommen nur dorthin, wo sie hinfliegen können. Die Nordtiroler haben eine Million Touristen mit dem Flughafen gekriegt, der Flughafen in Innsbruck ist der erfolgreichste in Österreich. Warum sollen wir in Bozen nicht das Gleiche machen ?

Aber, Herr Messner …

Ich verstehe nicht, warum wir uns gegen diese neue Mobilität verschließen, die in Summe die billigste ist.

Aber wie groß ist dieses Potential von Kunden, das Sie ansprechen? Ist das Potential wirklich so groß, oder kommen mit den Chartern nur die Billig- und Rambazamba-Touristen aus Russland, auf die man verzichten kann?

Die Schweizer füllen jetzt, weil sie so teuer geworden sind, ihre Löcher mit internationalen Touristen, weil sie in der Lage sind, auch diesen Teil des Verkehrs zu organisieren. Die Schweizer sind im Verkehr die besten in Europa – sei es im Bahn-, sei es im Nahverkehr, sei es beim kapillaren Verkehr. Die sind viel besser als wir. Aber die Schweizer haben den Flugverkehr nicht unterbunden oder verboten. Die sind doch nicht auf den Kopf gefallen wie wir!

Auf den Kopf gefallen?

Ja, nehmen Sie die soziale Mobilität – jeder Bauernhof hat eine Straße. Das ist gut so, weil die Grünland- und Landschaftspflege wichtig sind für den Tourismus. Am Ende ist es aber der Tourismus, der diese Sträßchen und die Straßensäuberung im Winter finanziert. Der Tourismus finanziert die Vinschger Bahn, der Tourismus finanziert die soziale Mobilität. Nirgends ist die Mobilität so billig wie in Südtirol. Das sollen die Leute endlich verstehen! Und das, was Geld und Steuern bringt, muss man endlich akzeptieren und nicht mit Lug und Trug niederwürgen. Es wird nur gelogen von diesen Fundamentalisten, und das ärgert mich! Sie legen nicht die Karten auf den Tisch.

Wie erklären Sie sich diese kollektive Aversion in Südtirol gegen den Flughafen?

Ich gebe zu: Der Flughafen hat 20 Jahre lang nicht funktioniert, das ist ein Fehler. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich es nicht noch einmal versuchen kann, ihn zum Funktionieren zu bringen.  Die Struktur hat nicht der heutigen Zeit entsprochen. Man konnte nicht mit Chartermaschinen für 120 Passagiere reinkommen, es geht nicht darum, dass wir raus- und die paar Politiker nach Rom fliegen. Das ist Geplänkel …

Aber in der Wahrnehmung der Menschen in Südtirol ist der Flughafen eine Struktur bzw. eine Spielwiese für ganz wenige Personen, für Politiker, Beamte und ein paar Wirtschaftstreibende …

Das ist Lug und Trug! Die Menschen haben offenbar noch immer nicht verstanden, um was es geht! Wir müssen die Menschen aus einem Radius von mehr als 600 bis 800 Kilometern im Flieger abholen. Diese Menschen würden uns auch die Gästebetten länger auslasten, wenn der Flughafen funktioniert. Aber bisher kam ja kein Charterflieger, weil es nicht möglich war. Es war alles halbherzig gemacht.

Der Landeshauptmann wird sich freuen, wenn Sie sich so massiv für den Flughafen ins Zeug legen …

Der Landeshauptmann hat ja vor der Wahl angekündigt, er ist für den Flughafen. Das war sehr mutig. Er hat trotzdem 83.000 Stimmen gekriegt. Das ist ein großer Erfolg, und damit wäre die Sache schon durch. Denn wenn das ganze Land den Flughafen nicht will, dann hätte es ihn in einer Stellvertreter-Demokratie nicht gewählt. Aber nachdem man in Südtirol parallel zur Stellvertreter-Demokratie auch eine Basisdemokratie haben will …

Glauben Sie?

Ja, aber ich sage: Man darf diese beiden Formen nicht mischen. Die Schweiz hat eine andere Demokratie, die ist großartig. Aber die Politiker in der Schweiz tun nur verwalten und nicht entscheiden. Bei uns haben die Politiker zu entscheiden und Verantwortung zu tragen. Ich will keinen Politiker, der keine Verantwortung und jeden Tag sagt: , Lassen wir das Volk abstimmen.“ Wenn wir das tun, dann fahren wir Südtirol in wenigen Jahren an die Wand.

Ist es politisch klug vom LH, die Flughafen-Frage so eng mit seinem politischen Schicksal zu verknüpfen?

Er hat das Referendum versprochen, er ist ein Demokrat, er hält Wort. Das finde ich in Ordnung.

Aber wenn der die Abstimmung verliert, ist er politisch beschädigt?

Das weiß ich nicht, das muss er überlegen. Ich sage nur: Ich selber habe jede Menge Argumente. Ich tue das nicht dem LH zuliebe, sondern weil ich nicht sehen will, dass dieses Land im Tourismus abbaut, weil wir einfach dumm sind. Über Südtirol fliegen mehr als 1.000 Flieger am Tag. Warum wird das nicht verboten? Warum machen die Leute dazu keine Volksabstimmung? Ich will endlich eine sachliche Diskussion.

Wir wird das Referendum ausgehen?

Das kann ich nicht sagen. Im Moment, würde ich sagen, würde das Referendum den Flughafen kippen. Aber ich hoffe, dass die Politiker in der Lage sind, das Volk aufzuklären, dass es versteht, was wir verlieren. Sich heute aus dieser Mobilitätsform, die ja nur ein kleiner Teil eines Mixes, aber eine wichtige für die Wirtschaft ist, herauszuklinken, wäre fatal. Ein Land ohne Flughafen kann auf Dauer nicht mehr prosperieren. Wenn man München den Flughafen wegnimmt, wird München Dritte Welt …

Und wenn man Bozen den Flughafen nimmt …

… dann passiert am Beginn gar nicht, aber früher oder später spüren wir das. Ich hätte mich ja gefreut, wenn der Herr Marzola in Brixen seine Plose eine Zeitlang zugetan hätte. Wie viele Leute hätten dann ihre Arbeitsplätze verloren? Man hätte dann gesehen, was es bringt, gegen alles zu sein, alles abzuwürgen.  Wenn man alles abwürgen will, das kann man in Südtirol tadellos machen, dann tun wir die MeBo wieder zuschütten, wir gehen zu Fuß wie vor 150 Jahren von einem Hof zum anderen, das ist auch sehr schön. Aber wir werden wieder zurückfallen auf die Kartoffeläcker, wo wir Südtiroler auch hingehören, wenn wir weiter so borniert sind und nicht unterscheiden können zwischen dem, was notwendig, vernünftig und zeitgemäß ist. Ich kann diesen Fundamentalismus nicht mehr hören! Ich kann auch den grünen Fundamentalismus nicht mehr hören …

Warum?

Ich bin ein grüner liberaler Denker und bin trotzdem für den Flughafen. Es ist lobenswert, wenn dieser junge Landeshauptmann jetzt versucht, das Ruder herumzureißen. Ich bin auch zehn Mal aufgestanden, wenn ich am Boden gelegen habe, bin dann wieder aufgestanden – und es ist gelungen. Aber die Art des Abwürgens … Ich habe kürzlich diesen Herrn Dissinger …

… den Chef des Dachverbandes für Umweltschutz …

… im Fernsehen gesehen. Das war einfach die Dummheit in Person! Er hat dauernd gesagt, wir müssen die Leute nicht von Frankfurt und von München herbringen … Das wissen wir schon! Das wollen wir auch nicht, die kommen schon, das sind fleißige Südtirol-Urlauber. Wir leben heute in einer globalisierten Welt, und der Tourismus funktioniert nach globalen Maßstäben. Das heißt: Dort wo ich hinkomme, fahre ich hin. Wir haben dieser Welt zu entsprechen. Und wenn wir das nicht können, dann ist das auch in Ordnung. Mich betrifft es nicht mehr.

 

Interview: Artur Oberhofer

„ … dann tun wir die MeBo wieder zuschütten, wir werden wieder zurückfallen auf die Kartoffeläcker, wo wir Südtiroler auch hingehören.“

„Wir müssen die Menschen aus einem Radius von mehr als 600 bis 800 Kilometern im Flieger abholen.“

„Ich tue das nicht dem LH zuliebe, sondern weil ich nicht sehen will, dass dieses Land im Tourismus abbaut, weil wir einfach dumm sind.“

„Die Schweizer haben den Flugverkehr nicht unterbunden oder verboten. Die sind doch nicht auf den Kopf gefallen wie wir!“

 

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