Krankenhaus Innichen: Keine Chance ohne Masterplan Osttirol

Beitrag von: Katharina Walter, Medien und Kommunikation, D-83246 Unterwössen

Interview mit Prof. Albrecht Goeschel *

Frage:
„Wie kommen Sie als international tätiger Experte für Gesundheitswirtschaft auf das Kleinkrankenhaus Innichen?“

Antwort:
„Ich engagiere mich seit vierzig Jahren für eine respektvolle Erhaltung und intelligente Weiterentwicklung vorhandener Gesundheitsversorgung, insbesondere kleiner Krankenhäuser in ländlichen Räumen – in Angola wie in Deutschland und eben auch in Südtirol. Dieses soziale Kapital, d.h. Gemeinschaftseigentum müssen wir vor dem Spardiktat und Profitzugriff bewahren.“

Frage:
„Das war jetzt aber noch keine Antwort auf meine Frage!“

Antwort:
„Sorry – stimmt, diente aber der Wahrheitsfindung. Fakt ist, dass ich seit zwanzig Jahren auch in Norditalien mit Krankenhaus- und Pflegeheimprojekten befasst bin.

Zum Beispiel hat mein Institut 1999 für das schließungsbedrohte Ospedale Malcesine ein Entwicklungskonzept erarbeitet. Von uns stammt auch das nach 2008 diskutierte Konzept eines Europäischen Zentrums für Kraftfahrer-Gesundheit in Sterzing. Die Gemeinde Innichen hat davon wohl erfahren und uns ihr Problem mitgeteilt.“

Frage:
„Um gleich zum Kern der Sache zu kommen: Welche Chancen haben Bruneck, Innichen und Sterzing angesichts des Spardiktats aus Rom, das Bozen nun durchsetzen soll – wie Sie mir im Vorgespräch berichtet haben ?“

Antwort:
„Ausgangspunkt ist die geographisch-infrastrukturelle Situation: Wir haben einen zusammenhängenden Versorgungsraum, der von Brixen und Sterzing bis nach Lienz reicht. Die Krankenhäuser dort sind wie an einer Perlenschnur aufgereiht.Und nun soll diese Perlenschnur mit der EU-Fiskalpaktschere abgeschnitten werden.

Dabei ist das Spiel so übel wie alt: Bozen wird von Rom zum Exekutor gemacht. Und die neue Lichtgestalt Renzi macht den Exekutor der bei uns von immer mehr Ökonomen als „Hausfrau“ verlachten, in Wirklichkeit aber ziemlich heimtückischen Dame Merkel und die nutzt die Eurokrise gnadenlos für die Privatisierung des bisherigen Gemeineigentums und für die Demontage der nationalen europäischen Sozialordnungen – das passt dann gut in den neuen US-EU-Geheimkapitalismus von TTIP und TISA des Herrn „Friedensnobelpreisträgers“ O. Das ist das reale Bedrohungsszenario für Innichen.“

Frage:
„Herr Professor, haben Sie es bitte nicht ein bisschen kleiner und genauer ?“

Antwort:
„Gern. Aber erst muss man einmal wissen, was da gespielt wird. Sonst bleibt es bei irgendwelchen Illusionen. Auch „heraußen“ in Deutschland wird das Spielchen mit den durchaus windigen „Mindestzahlen“ gespielt – gerade in der Krankenhaus-Pädiatrie. Mein Institut hat den ersten und einzigen Kindergesundheits-Atlas für Deutschland erstellt und gezeigt, dass in keinem Bereich der Krankenhausversorgung so brutal demontiert worden ist wie in der Pädiatrie. Wenn wir das für die kleineren Krankenhäuser im Pustertal auffangen wollen, muss „tief gepflügt“ werden“.

Frage:
Heißt ?

Antwort:
„Vor allem muss die Kirchturm-Konkurrenz sofort aufhören. Solange eine Politik des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ betrieben wird, kann man es gleich lassen.
Am besten wäre es, Innichen als Vormann lässt einen „Masterplan Krankenhausversorgung Osttirol“gleich für die anderen Standorte einschließlich Lienz ausarbeiten.
Die Juristen sagen da „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Aber jedes Vorher-Herumgerede über die Aufteilung der Portokosten führt nur dazu, dass am Ende alle verlieren. Innichen hat, selbst wenn es wegen fehlender Solidarität, d.h. mangelnder Intelligenz der anderen auf den Kosten allein sitzen bleibt, mit einem Masterplan mehr Chancen als mit weiterer Bettelei.“

Frage:
„Was bringt so ein Masterplan ?“

Antwort:
„So ein Masterplan hat die Aufgabe, zunächst das Morbititätspotential der Wohnbevölkerung im gesamten Raum Osttirol zu analysieren und dann vor allem auch das Morbiditätspotential der hunderttausende Urlaubsbevölkerung in diesem Raum zu analysieren. Denken Sie doch nur: Da reisen Jahr für Jahr unglaublich viele Leute in die Region. Wer da nicht in der Lage ist, medizintouristische Angebote zur Mitfinanzierung der Krankenhausgrundversorgung zu entwickeln, der hat selber Schuld, wenn ihm die Hütte zugesperrt wird.

Wichtigst ist dann natürlich eine gewisse Schwerpunktbildung einerseits in der Grundversorgung – allerdings nur sehr mäßig, um die Erreichbarkeit nicht zu verschlechtern. Verhandlungssache ist dann andererseits der Aufbau von medizinisch-therapeutischen „Zentren“, für die aktives Medizintourismusmarketing in den Herkunftsregionen und -milieus der Pustertalbesucher gemacht wird. Diese „Zentren“ sollten von einer gemeinsamen Trägergesellschaft aller Krankenhäuser einschließlich Lienz getragen werden. Von Bozen kann ruhig ordentlich Geld für den Aufbau dieser Dinge gefordert werden.“

Frage:
„Herr Professor: Können Sie uns ein Beispiel für solche medizintouristisch geprägten „Zentren“ nennen ?

Antwort:
„Nullo problema. In ganz Europa sterben die Männer viele Jahre früher als die Frauen.Das gesamte Gesundheitssystem ist traditionell wegen die vormaligen hohen Bedeutung der Geburten und aktuell wegen der hohen Zahlen älterer Frauen kaum auf die spezifischen Beratungs-, Behandlungs- und Pflegebedarfe der Männerbe-völkerungen ausgerichtet. Also: „Zentrum für die Gesundheit des Mannes“ mit Check Up, qualifizierter Hernien-OP, Sexualberatung etc.pp.

Wir haben ja nicht ohne Grund 2004 für Bozen eine erste Untersuchung zur gesundheitlichen Lage der Männer in Südtirol, und später auf eigene Kosten den Atlas zur gesundheitlichen Lage der Männer und Frauen in Italien fabriziert.“

Danke Herr Professor – das war jetzt schon richtig spannend !

*
Prof. Albrecht Goeschel (Jhg.1945)
Lehrtätigkeit u.a. zum Thema Krankenhaus-Finanzmanagement an den Universitäten und Hochschulen Giessen-Friedberg, Lüneburg, München, Rostov und Vechta
Mitglied des Präsidiums der Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale Verona
Persönlicher Beauftragter des Botschafters der Republik Angola a.D.

Dieser Beitrag wurde unter Artikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten auf Krankenhaus Innichen: Keine Chance ohne Masterplan Osttirol

  1. hans Haas sagt:

    diesen Vorschlag das Krankenhaus Innichen umzubauen von „ich tu alles“ zu einer Klinik mit perfekter Erste Hilfe und Orthopädie inkl. Physiotherapie und zu einem „Zentrum für die Gesundheit des Mannes” mit Check Up, qualifizierter Hernien-OP, Sexualberatung etc.pp. finde ich super.
    Dabei kann man entstauben und die Sichtweise vom Mitarbeiterorientiertem Handeln zum Patientenorientierten Handeln wenden. Der Patient muss in den Mittelpunkt, nicht die Wünsche der Mitarbeiter. Ganz nebenbei kann man dann auch ein wenig verschieben zwischen derzeit ca. 15 Patientenparkplätzen (mit Parkuhr) und ca. 120 Krankenhausbedienstetenparkplätzen

  2. Martha Sockker sagt:

    Was sagen die „Reformer“ zu diesem Papier?