Leserbriefe Johann Burger: Mutig & mutig weiter am Umverteilen von unten nach oben.

Mutig

Abgesehen von den zahlreichen Wortschöpfungen der Politikersprache, den Floskeln und nichtssagenden Worthülsen (von A wie „andenken“ bis Z wie „zukunftweisend“) ist neuerdings das Wort „mutig“ in Mode gekommen. Kaum ein Tag, dass nicht irgendein Politiker oder Boss eines Wirtschaftsverbandes „mutige“ Schritte, Entscheidungen, Reformen, … fordert. Gemeint sind damit harte Einschnitte im Arbeitsrecht, beim Kündigungsschutz, im Sozialwesen, aber auch Beschneidung bürgerlicher Grundrechte und demokratischer Entscheidungsprozesse. Ich finde es schäbig, wenn  man die wahren Absichten mit solchen Wörtern verschleiert. Es braucht übrigens nicht viel Mut, von einer Machtposition aus mit Unterstützung starker Lobbys und gleichgeschalteter Medien dem schwächeren Teil der Bevölkerung Spardiktate aufzuzwingen. Wahrhaftig „mutig“ fände ich es, wenn Politiker endlich den „Mut“ hätten, von dieser fatalen neoliberalen Ideologie abzurücken, zur „Sozialen Marktwirtschaft“ zurückzufinden, die Lasten zur Sanierung des Staatshaushaltes und der Wirtschaft gerecht zu verteilen und vor allem auch die Verursacher dieser Krise stärker in die Verantwortung zu nehmen. Ich träume weiter!

Burger Johann, Pichl/Gsies, 26.09.2014

Mutig weiter beim Umverteilen von unten nach oben!

Italien hat bereits vor über 20 Jahren begonnen, Gesetze gemäß dem neoliberalen Lobbygeschrei zugunsten von Konzernen und Finanzoligarchie abzuändern: radikaler Umbau des Renten- und Pensionssystems, Abschaffung der gleitenden Lohnskala bzw. des Inflationsausgleichs, Schmälerung von Arbeitnehmerrechten und Schwächung der Gewerkschaften, Zulassung prekärer Beschäftigungsmodelle und dadurch Verlust der Arbeitsplatzsicherheit, Umverteilung der Steuerlast und diverse Steuergeschenke an Reiche, völlige Deregulierung im Finanzsektor und Tolerieren von Spekulationsgeschäften, Streichung oder Kürzung von Sozialleistungen u. v. m.

Aber das alles ist noch nicht genug. „Mutig“ heißt das neue Modewort. EU, EZB und IWF verlangen weitere „mutige“ Entscheidungen in Richtung Sozialabbau, Privatisierung und Staatsverschlankung. Auch Südtirols neoliberale Nachplapperer aus Politik und Wirtschaftsverbänden fordern die gänzliche Abschaffung des Kündigungsschutzes, die Schließung oder zumindest Verkleinerung der peripheren Krankenhäuser und sie rechnen uns auch sonst noch vor, was in Zukunft alles (an „sozialen Wohltaten“ – wie sie es nennen) nicht mehr finanzierbar sei.

Bitte, haltet uns nicht für blöd! Genau das Gegenteil von dem, was angeblich erreicht werden sollte ist eingetreten und wird sich noch verstärken: mehr Arbeitslosigkeit, höhere Staatsschulden und eine noch größere Kluft zwischen arm und reich. Tragisch dabei: Es Ist so gewollt und passt zur neoliberalen Ideologie!

Burger Johann, Pichl/Gsies, 26.09.2014

 

 

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Eine Antwort auf Leserbriefe Johann Burger: Mutig & mutig weiter am Umverteilen von unten nach oben.

  1. Hubert sagt:

    Ja, der deutsche Bundespräsident und ex-Pastor, haut auch in die gleiche Mut-Kerbe:
    Bundespräsident Joachim Gauck verlangt von den Deutschen mehr Mut zum Wettbewerb: „Ungerechtigkeit gedeiht gerade dort, wo Wettbewerb eingeschränkt wird.“ Und Gauck verteidigt den Neoliberalismus.

    […]
    Vorbehalten gegen Marktwirtschaft und Liberalismus müsse entgegengetreten werden, denn freier Markt und freier Wettbewerb seien die Eckpfeiler der Demokratie, sagte Gauck während der Feier des sechzigjährigen Bestehens des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg: „Freiheit in der Gesellschaft und Freiheit in der Wirtschaft gehören zusammen.“
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/grundsatzrede-zur-wirtschaft-gauck-verteidigt-neoliberalismus-gegen-unredliche-kritik-12754773.html

    Da ist mir doch der italienische Präsident hundert mal lieber. Die Folgen neoliberaler Politik für Sozialstaat und Demokratie sind katastrophal. Eine Verarmung breiter Bevölkerungsschichten ist die Folge dieser unheilvollen Ideologie. Der Markt ist ihnen heilig. Sozialabbau und Privatisierungen werden forciert – mit den bekannten Folgen. Das Soziale ist scheinbar nicht mehr finanzierbar. Aber wenn man sieht wofür sonst Unsummen ausgegeben werden …

    Hubert von Wenzl – Bruneck