ff 22/2014: Haymo lässt bauen

ff Südtiroler Wochenmagazin, 29.05.2014 – Altbürgermeister Haymo von Grebmer und Immobilienentwickler Dietmar Niederkofler, seines Zeichens auch SVP-Ortsobmann, möchten in Dietenheim neuen Wohnraum schaffen. Das Projekt ist umstritten.

Man kann ja nicht immer nur schlafen“, sagt Haymo von Grebmer. Also tue er etwas. Der Dietenheimer Großbauer und Hotelier, bis 1990 für die SVP Bürgermeister der Stadt Bruneck, schlohweißes Haar und rosige Backen, ist für seine 88 Jahre noch ziemlich fit.
Und weil er so fit ist, schläft er nicht, sondern baut. Oder vielmehr: Er lässt bauen. In Dietenheim, auf einem Stück Grund, das zu seinem geschlossenen Hof Aschgut gehört. Die Entwicklung der 14 bis 16 Wohnungen und der 6 Einzelgebäude übernimmt Dietmar Niederkofler, der weitum bekannte Immobilienunternehmer, der nebenbei auch SVP-Ortsobmann von Dietenheim ist. Läuft alles wie geplant, fahren im Herbst die Bagger auf, die Bauzeit beträgt 18 Monate.

Das Projekt ist umstritten. Das Kuratorium für technische Kulturgüter, das Landesdenkmalamt und die Grünen im Landtag sind dagegen. Das Kuratorium spricht beispielsweise von einem „brutalen Eingriff, der die Kulturlandschaft an dieser Stelle empfindlich stören wird“. In Dietenheim befindet sich das Südtiroler Volkskundemuseum, der Ort wird geprägt von alten Ansitzen und Höfen. Unmittelbar neben der neuen Wohnbauzone Aschgut steht die Villa Sonnwend (Ex-Villa Mahl) mit zwei denkmalgeschützten Gartenhäusern.

EM2 Architekten www.em2.bz.it

Das Landesdenkmalamt sprach sich in einem Gutachten gegen das Projekt aus: „Durch die Verbauung würde nicht nur das Umfeld der Ansitze, sondern auch die unmittelbare Umgebung der Villa Sonnwend, ein seltenes Beispiel des Villenbaus im Heimatstil aus der Zwischenkriegszeit, komplett verbaut werden.“ Dies beeinträchtige den Garten, der mit den Gartenhäusern ein Zeugnis der Gartenarchitektur der Frühmoderne sei.
Haymo von Grebmer kann die Ablehnung nicht verstehen: „Wir stören niemanden“, sagt er und schmatzt genüsslich an seinem Mittagessen.

Ein paar hundert Meter entfernt, in der Brunecker Galileistraße, sind Dietmar Niederkofler und sein Sohn Andrè-Benedict anzutreffen. Sie sprechen offen über das Vorhaben, das sie für den alten Herrn von Grebmer entwickeln (Dietmar Niederkofler) und verkaufen (Andrè-Benedict Niederkofler).

Die beiden finden das Projekt gelungen, immerhin sei es aufwändig über eine Ausschreibung ermittelt worden. Sieben Architekten nahmen daran teil, als Sieger ging das Brunecker Studio EM2 hervor. Das Konzept sieht 6 Einzelgebäude unterhalb der Villa Sonnwend und daneben 14 bis 16 Wohnungen in einem modernen Terrassenbau vor. Laut Andrè-Benedict Niederkofler hebe sich der Terrassenbau „positiv von der Villa Sonnwend“ ab.

Dietmar Niederkofler versichert, dass man versucht habe, den Charakter des Dorfes zu erhalten: daher die lockere Verbauung mit den Einzelgebäuden am Fuß des Hanges und die kompakte Verbauung des Hanges mit wenigen Stützmauern.

Vater und Sohn Niederkofler sind ein Gespann voller Energie, der eine trägt eine große silberne, der andere eine große goldene Armbanduhr. Manchmal ist der Vater nicht zufrieden mit den Aussagen des Sohnes, er verbessert ihn gerne, was den Sohn aber nicht daran hindert, munter weiterzusprechen.

Andrè-Benedict Niederkofler sagt, das Interesse an den Wohnungen sei riesig. Und zwar nicht nur, was die Medien anbelange (sogar die Tagesschau von Rai Südtirol habe bereits über die Wohnbauzone berichtet). „Mittlerweile gibt es über 60 Interessenten, die eine der Wohnungen kaufen möchten“, sagt Andrè-Benedict Niederkofler. Die Einzelgebäude – kleine Villen – seien bereits vergeben. Man könne also nicht sagen, in Dietenheim gebe es keinen Bedarf an Wohnraum.

Eine derartige Aussage traf Renato Stancher, Vizebürgermeister der Gemeinde Bruneck, im besagten Tagesschau-Bericht. Stancher bezog sich bei seinen Aussagen aber rein auf die Dietenheimer Bevölkerung, sagt Dietmar Niederkofler. Die restlichen Brunecker hätten sehr wohl Bedarf an Wohnraum.

Dietmar Niederkofler muss es wissen. Schließlich ist er seit einigen Monaten Ortsobmann der SVP in Dietenheim. Bei den Gemeinderatswahlen Anfang Mai gab es in Dietenheim den höchsten SVP-Zuspruch innerhalb der Gemeinde Bruneck. Das bestärkt den Ortsobmann in seinem Glauben, auf dem richtigen Weg zu sein. Er sagt: „Die Dietenheimer sind zufrieden mit unserer Politik.“ Zugleich unterstreicht Dietmar Niederkofler, dass das Projekt und der dem Projekt zugrunde liegende Raumordnungsvertrag vor seinem Engagement als Ortsobmann zustande gekommen seien.

Der Raumordnungsvertrag veranlasste den Grünen Hans Heiss bereits vor einem Jahr zu einer Anfrage im Landtag. Darin fragt der Abgeordnete provokant: „Handelt es sich bei dem Vertrag um öffentliches Interesse oder um eine Gefälligkeit für einen Privaten?“
Inhalt des Raumordnungsvertrages ist ein Tauschgeschäft: Die Gemeinde Bruneck bekommt von Haymo von Grebmer ein 1,8 Hektar großes Grundstück im Westen der Stadt. Im Gegenzug erteilt die Gemeinde Haymo von Grebmer das Baurecht auf besagtem Aschgut in Dietenheim. Damit aber nicht genug. Zusätzlich zahlte die Gemeinde 1,8 Millionen Euro an Haymo von Grebmer.

„Das war kein gutes Geschäft für die Gemeinde“, sagt Hans Heiss. Er führt an, dass der Private nun umgehend bauen kann, während die Gemeinde noch nicht so recht wisse, was sie mit dem Grundstück anfangen solle. Außerdem sei der Grundstückspreis mit 218 Euro pro Quadratmeter zu hoch angesetzt gewesen, handelte es sich doch nur um landwirtschaftliches Grün.

Vizebürgermeister Renato Stancher (Polo per Brunico) verteidigt gegenüber ff den Raumordnungsvertrag: Er sei erstens mit großer Mehrheit vom Gemeinderat befürwortet worden. Zweitens bestehe sehr wohl eine Verwendung für das von der Gemeinde erworbene Grundstück. Das Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 1999 sehe hier die Erweiterung der Schul- und Sporteinrichtungen vor. Und drittens sei das erworbene Grundstück bereits in eine Zone für öffentliche Einrichtungen umgewidmet worden. „Damit beträgt der Schätzwert heute etwa 550 Euro pro Quadratmeter“, sagt Stancher. Für die Gemeinde habe sich das Tauschgeschäft also auf alle Fälle gelohnt.
Und auch der Private kann zufrieden sein. Haymo von Grebmer ist um 1,8 Millionen Euro reicher und darf zudem in Dietenheim Wohnraum schaffen, den die Niederkoflers zu anständigen Preisen verkaufen werden. In zwei Jahren soll alles fertig sein. Haymo von Grebmer wird dann 90 Jahre alt sein – und weiterhin „nicht immer nur schlafen“.

Karl Hinterwaldner

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Eine Antwort auf ff 22/2014: Haymo lässt bauen

  1. Edith sagt:

    Da ist ja ein buchstäbliches Loch, das unbedingt zubetoniert werden muss!
    Ich glaube kaum, dass den oben genannten Gremien und Gegnern des umstrittenen Projekts kaum noch Einsprache gewährt wird, denn es scheint eine schon geritzte Sache zu sein. So geht es seit eh und je und in Zukunft wird sich diesbezüglich nichts ändern. Die SVP und ihre gut bestückten Zinssoldaten haben immer noch das Sagen. Meine ich halt mal.