TZ- Gastkommentar: Lederhosendisneyland

TZ, Mittwoch/Donnerstag, 5./6. Jänner 2011 – Nr. 2

Gastkommentar

Alter Riese

Über die neue Haunold-Hütte, über alte Traditionen und falsche Gefühle: Bernhard Lösch ist Architekt und Mitglied der Baukommission in Innichen.

Wuchtig geklotzt steht sie da, „die Neue“. Die Alte hatte nach über 30 Jahren ausgedient. Satteldächer ineinander gekeilt, um halbwegs  „klassische“ Proportionen einer Hütte nachzuempfinden. Nur mit harter Mühe werden die Kubaturen in sozusagen „traditionelle“ Formen gezwungen, dabei verliert das Ganze schon seine Glaubwürdigkeit. Eingangsvordach mit unbearbeiteten Rundhölzern  -Tradition verhöhnend- unterstreicht eine plumpe und perverse Massivität. Die Flintstones aus USA lassen grüßen, es fehlen nur noch deren Gefährte vor dem Eingang oder besser noch ein gehalfterter Dinosaurier.
Das Innere: Es wird munter weitergekrampft. Holz aus kubaturverschobenen Stadeln, wichtig alt oder zumindest so aussehen mit „traditionellen“ Isolierfenstern  und Schindeln. Überall Schindeln, und die Räume nennen sich nebenbei noch Stuben. Ich kenne keine Stube in ganz Tirol wo die Schindeln innen auf Sicht sind, das waren Stadel oder Almställe, aber sicherlich keine Stuben. Die Emotion mit der Tradition. Und die Öfen: so genannte Bauernöfen, dickere, dünnere, „kugilate“(kugelrunde) und andere – sie sollen Gemütlichkeit ausstrahlen.
Auf einer Ablage erhöht  die Schuhe und der Hut des Riesen Haunold, theatralisch auch daneben. Tische mit künstlichen Macken und Abstoßungen; das Alter und eine Abnutzung soll vorgetäuscht werden. Ganz zu schweigen von Buchenen Stühlen. Holzböden aus alten Brettern.
Es ist interessant zu beobachten, dass 300 Meter tiefer die wirklich noch originalen Bauvolumen mit dem Placet  der gemeindlichen Würdenträger  nacheinander  niedergebaggert und entsorgt werden (Bauten, die Qualität haben und die wirklich die Tradition darstellen). Interessant, dass man versucht weiter heroben mit schlechten Zitaten aus der Tradition, den Gästen und Einheimischen eine „heile“ Welt vorzugaukeln mit so genanntem „Traditionsbewusstsein“.
Es ist die Konzeption  des Südtiroler MarkenSpecks,  wobei die Schweine aus der halben Welt zusammengekarrt werden, einen Monat lang Südtiroler Luft genießen und dann als typisches Südtiroler Produkt die Welt erobern. Die Luft ist aus Südtirol, sonst nichts. Das hat alles nichts mit Ursprünglichkeit, Authentizität  oder ortsgebundener Architektur oder Kultur zu tun. Es ist der krampfhafte Versuch, ein Massen-Produkt zu designen (unter der Dachmarke Südtirol). Das famose Rezept: Man nehme altes Holz, man nehme Formen  aus der bäuerlichen Architektur, man nehme pseudoalpine Zitate  usw.  Das ist eine verlogene Welt, die hier künstlich hervorgezaubert wurde, mit unserer Kultur nichts gemeinsam hat, sondern nur darauf ausgerichtet ist, den Gästen (falsche) Emotionen  zu verkaufen.
Irgendwann kommt auch der dümmste Konsument darauf, dass das alles nicht echt ist, sondern nur gelogen, und dann geht er dahin, wo er noch das findet, was er wirklich sucht: Kultur und Tradition  des alpinen Raumes, wo auch die Emotionen auch noch echt sind.
Diese Riese-Haunold-Hütte ist Ausdruck einer kleinkarierten, kurzsichtigen Pseudo-Unternehmerkultur, welche nur darauf abzielt, so schnell und profitabel wie möglich,  ein Produkt  zu  verkaufen, ohne Kultur und ohne Qualität und dabei  keinem nachhaltigen Unternehmergeist gerecht wird. Das einzige, was an dieser Architektur nachhaltig ist (großteils): dass man sie in kürzester Zeit zu Hackschnitzeln verarbeiten  muss. Es ist weiterhin unverständlich, dass auch öffentliche Gelder (die Gemeinden sind Aktionäre in dieser Gesellschaft) in solche kulturlosen Produkte fließen, damit  ist dies  Ausdruck mangelnder Sensibilität und Bewusstsein  in Sachen Kultur und Tradition  der politischen Vertreter.

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