ff 07/2014: Pfalzner Hüttentango

ff Südtiroler Wochenmagazin, 07/13.02.2014 – Altlandeshauptmann Luis Durnwalder verkaufte der Raika Vintl Kubatur für 200.000 Euro. Sie versucht damit, einen illegalen Bau zu sanieren.

Traurig steht sie da, die Hütte, seit 16 Jahren schon. Das Dach löchrig, die Wände morsch, dem Verfall preisgegeben. Dabei hätte das einmal ein schmuckes Doppelhaus werden sollen. Doch daraus wurde nichts, bis heute.

Die Nachbarn hatten geklagt, der Bau sei illegal – und sie hatten vom obersten Gerichtshof in Rom, dem Staatsrat, Recht bekommen. Der Bürgermeister ordnete vor einem Jahr sogar den Abbruch der Hütte an. Doch dazu kam es nicht, im Gegenteil: Jetzt sagt die Baukommission, es dürfe weitergebaut werden.

Die Geschichte spielt in Pfalzen und hat einige prominente Akteure: Einer von ihnen heißt Luis Durnwalder. Der Altlandeshauptmann ist es, der mit der Restkubatur der Bauparzelle seiner Villa in der Lupwaldstraße für Aufregung sorgt. Luis Durnwalder kennt sich aus in Immobiliendingen, in den Siebzigerjahren war er sogar für kurze Zeit in das Album der Makler eingetragen.

In jener Zeit kaufte er von der Fraktionsverwaltung Pfalzen, der er selbst vorstand, Baugrund für sein Sommerhaus: Er bezahlte für die 1.900 Quadratmeter große Fläche 14 Millionen Lire. Laut offizieller Inflation des Landesstatistikamtes entspricht dies heute etwa 25.000 Euro.

Am anderen Ende der Lupwaldstraße baute Durnwalders Bruder Johann ein großes Haus – um es Ende der Achtzigerjahre wieder zu verkaufen. Johann Durnwalders Haus erlebte sodann mehrere Eigentümerwechsel und Aufteilungen. Aus dem Haus entstand ein sogenanntes Kondominium, ein Mehrfamilienhaus also, in dem drei Parteien Platz fanden. Damit nicht genug: Einer dieser Miteigentümer, der später pleiteging, hatte einen Teil seines Gartens abgetrennt, um daraus eine eigenständige Bauparzelle zu schaffen. Die Gemeinde Pfalzen ließ das zu und erteilte obendrein eine Baukonzession für die Errichtung eines Doppelhauses.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde vor 16 Jahren der Rohbau hochgezogen. Den Miteigentümern des Kondominiums gefiel dies gar nicht. Sie zogen vor Gericht, sie vertraten die Auffassung, ihre Baurechte würden dadurch verletzt. Denn das neue Doppelhaus umfasste rund 600 Kubikmeter, das entsprach der gesamten restlichen Kubatur der Bauparzelle, auf der das Kondominium steht. Verbauen aber dürfe jeder Miteigentümer nur so viel, wie ihm anteilsmäßig zusteht.

Nach jahrelangem Gerichtsstreit fällte der Staatsrat in Rom im Mai 2012 ein Urteil, das über die Anliegen der Miteigentümer des Kondominiums hinausging. Das Urteil besagt, dass die restliche Kubatur von 600 Kubikmetern dem Kondominium gehört. Die abgetrennte Bauparzelle sei insofern als fiktiv zu betrachten; nur mit Zustimmung aller Eigentümer des Kondominiums dürfe darauf die restliche Kubatur verbaut werden.
Für die Vitem GmbH, die die abgetrennte Bauparzelle inzwischen übernommen hatte, war das Urteil ein schwerer Schlag. Denn ein Stück Garten in einer Wohnbauzone hat im Verhältnis zu einem Doppelhaus einen bescheidenen Wert.

Die Vitem GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Raika Vintl. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Hartmann Reichhalter überlegte sich Vitem eine neue Strategie. Reichhalter, früher einmal Bürgermeister von Kastelruth, gilt als Raumordnungsexperte. Er brachte den Ankauf fremder Kubatur ins Spiel.

Hermann Josef Weissteiner, Obmann der Raika Vintl und Alleinverwalter der Vitem GmbH, wurde aktiv: Am anderen Ende der Wohnbauzone steht Luis Durnwalders Haus, rundherum ein großes Grundstück – da müsste es doch übrige Kubatur geben.
Weissteiner und Durnwalder waren sich schnell einig: Laut Vertrag trat Durnwalder „urbanistische Wohnkubatur von insgesamt 600 Kubikmeter“ an die Vitem GmbH ab. Als Kaufpreis wurden 198.000 Euro festgelegt. Rechtsanwalt Reichhalter sagt, dies sei der erste Fall in Südtirol, in dem so ein Kubaturkauf im Grundbuch festgeschrieben wurde: „Damit da nicht getrickst wird.“

Ausgetrickst fühlen sich jetzt aber die Eigentümer des Kondominiums, die sich vor einem Jahr noch über die Abbruchverfügung der Gemeinde freuten. Bürgermeister Josef Gatterer stellte sie aus, nachdem der Staatsrat den Bau wegen des Fehlens der erforderlichen Kubatur für illegal erklärt hatte.

Plötzlich begutachtete die Pfalzner Baukommission das Projekt positiv: „Die wiederholte Überprüfung des Projektes und der vor Ort durchgeführte Lokalaugenschein durch den Gemeindetechniker haben ergeben, dass aus rein urbanistischer Sicht der Verwirklichung des Projektes nichts mehr im Wege steht.“

Darauf angesprochen, sagt der Vorsitzende der Baukommission, Bürgermeister Gatterer, dass das letzte Wort über die Erteilung der Baukonzession noch nicht gesprochen sei. Er warte jetzt auf ein Rechtsgutachten, das die Gemeinde bereits in Auftrag gegeben habe.
Auch der Gemeindetechniker Roland Grießmair – der wahrscheinlich künftige Bürgermeister von Bruneck – mag nichts zum Fall sagen, außer: „Da ist es besser, wenn Sie mit dem Bürgermeister reden.“

Sichtlich erbost sind hingegen die Miteigentümer des Kondominiums beim Treffen mit ff. Sie finden es schlichtweg eine Sauerei, dass jetzt doch ein Doppelhaus vor ihrer Nase gebaut werden soll, obwohl sie einen jahrelangen Gerichtsstreit ausgefochten und gewonnen haben.

Miteigentümer des Kondominiums sind heute Hildegard Ellecosta und Robert Ploner, Monika Widmann sowie Monika und Richard Steger. Sie finden das positive Gutachten der Baukommission für die Vitem GmbH rechtlich nicht in Ordnung. Zum einen sei für die Verlegung von Fremdkubatur ein Durchführungsplan erforderlich, den es für die Zone Lupwald nicht gebe. Und zum anderen würden durch den Bau die Rechte der Kondominiumseigner erheblich beschnitten.

Dieser Ansicht ist auch Rechtsanwalt Dieter Schramm, der einige der Kondominiumseigner vertritt. In einem Schreiben an die Gemeinde teilt er mit, dass die Erteilung einer Baukonzession nicht zulässig sei. Denn erstens würde die fremde Kubatur die noch verfügbare Kubatur seiner Klienten „einschränken, wenn nicht verhindern“. Schließlich müsse man „in Ermangelung eines Durchführungsplanes einen Gebäudeabstand von 10 Metern und einen Grenzabstand von 5 Metern“ einhalten.

Und zweitens komme es durch den Bau zu einer erheblichen Qualitätsminderung der Wohnungen seiner Klienten – „durch Einschränkung der Aussicht und der Sonneneinstrahlung“. Außerdem, so Schramm, sei die Frist für den Abbruch des Rohbaus bereits vor Einreichen des Sanierungsantrages abgelaufen. Laut Landesgesetz müsse die überbaute Fläche unentgeltlich an die Gemeinde übergehen. Damit sei klar, dass nicht gebaut werden dürfe.

Der Anwalt der Vitem GmbH sieht das naturgemäß anders. Hartmann Reichhalter sagt, alles sei vollkommen in Ordnung. Der Antrag um Sanierung sei fristgerecht eingereicht worden. Fremdkubatur sei zulässig. Und außerdem müsse Vitem noch rund 100.000 Euro Strafe an die Gemeinde zahlen, sobald die Baukonzession da sei. Das Geld sei fällig, um die Vorgeschichte rechtlich zu sanieren.

Vitem-Verwalter Hermann Josef Weissteiner wirkt nervös, als ff ihn kontaktiert. „Wir wissen noch nicht“, sagt er, „ob wir bauen können.“

Den Bau wollen die Kondominiumseigner auf jeden Fall verhindern. „Sollte eine Baukonzession ausgestellt werden, gehen wir gerichtlich dagegen vor“, sagen sie. Außerdem erwägen sie, sämtliche Mitglieder der Pfalzner Baukommission „persönlich für sämtliche sich ergebende Schäden haftbar“ zu machen.

Zurücklehnen kann sich dagegen Luis Durnwalder. Er hat das Geld für den Verkauf der Kubatur schon in der Tasche.

Karl Hinterwaldner

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