Volksbefragung 7.11.2010 – Stellungnahme Grüne Ratsfraktion

Gemeinderatssitzung 13. Dezember 2010

Die Volksbefragung zur Zukunft des Gebiets am Nordosthang des Kronplatzes stieß von Anfang an auf widrige Bedingungen. Das beginnt mit den extrem einschränkenden und behindernden Regelungen der Instrumente der direkten Demokratie auf Gemeindeebene: ein 40%-Quorum, das zu Boykott und Diskussionsverweigerung einlädt, vollkommen überzogene und nicht gerechtfertigte Sperrfristen vor und nach jeder Art von Wahl und vage Bestimmungen zur Zulässigkeit, die gerne einseitig zu Ungunsten der Volksrechte interpretiert werden.

Die Vorhaben am Nordosthang sind seit Jahren sowohl in der Gemeindepolitik als auch in der Brunecker Bevölkerung heftig umstritten, diese Tatsache kann niemand in Frage stellen. Eine Volksbefragung bietet in so einem Fall die Möglichkeit, Klarheit zu schaffen und der Politik eine fundierte Entscheidungshilfe zu bieten. Da aber bei Befragungen sowohl ein Ja als auch ein Nein herauskommen kann und eine Ablehung des Projektes „Ried“ für den Bürgermeister und die Verfechter des Projektes offensichtlich undenkbar war, hat man von Anfang an die Interessen der Seilbahngesellschaft vor die Demokratie und die Volksrechte gestellt und die Volksbefragung behindert, hintertrieben und am Ende sabotiert.

Im Februar 2009 stellten die Gemeinderäte der Grünen und der Bürgerliste den Antrag, eine beratende Volksbefragung zur Zukunft des Gebiets am Nordosthang des Kronplatzes abzuhalten. Sie wurde von der Mehrheit abgelehnt. Die Befragung wurde in der Folge durch ein Promotorenkomitee eingereicht, zugelassen und mit über 1.000 Unterstützungsunterschriften bestätigt. Damit hat die Bevölkerung das Recht erworben, offiziell zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

Die von der Gemeindeverordnung für Volksbefragungen vorgesehenen Sperrfristen haben bedingt, dass die Befragung erst mit eineinhalb Jahren Verspätung stattfinden konnte. Eine Änderung der Bestimmungen, die eine Durchführung im Herbst 2009 ermöglicht hätte, wurde von der Ratsmehrheit abgelehnt. Ebenso hat sich der Gemeindeausschuss nicht an die Aufforderung gehalten, vor der Volksbefragung keine weiteren Schritte zu setzen und hat dem Gemeinderat im November 2009 eine Stellungnahme zum Skipistenplan vorgelegt. Nicht nur die Seilbahngesellschaft, auch die Gemeinde- und Landesverwaltung waren bemüht, vor der Befragung möglichst viele vollendete Tatsachen zu schaffen. Auf einen Rekurs der Seilbahngesellschaft gegen die Zulassung der Volksbefragung hat sich die Gemeinde nicht eingelassen und damit weder die Entscheidung ihrer Fachkommission noch das Recht der Bevölkerung auf die Befragung verteidigt.

So weit die Vorgeschichte, in der der Bürgermeister bereits mehrfach jene Korrektheit hat vermissen lassen, die seine institutionelle Rolle von ihm verlangen würde. Als aber die Befragung definitiv bevorstand, hat er ein Verhalten an den Tag gelegt, das jedes erträgliche Maß überschreitet. Drei Wochen vor der Volksbefragung ging er plötzlich mit der ebenso willkürlichen wie unhaltbaren Interpretation der Fragestellung an die Öffentlichkeit, wonach diese das Projekt „Ried“ nicht betreffe. Dies widerspricht dem Wortlaut der Fragestellung, der allgemeinen Meinung und einem Schreiben des Bürgermeisters im Sommer 2010, in dem er der Landesregierung zusichert, vor der besagten Volksbefragung keine Baukonzession für das Projekt „Ried“ ausstellen zu wollen. Damit hat er praktisch angekündigt, ein „Nein“ bei der Volksbefragung nicht als Stimme gegen das Projekt „Ried“ anerkennen zu wollen. Damit hat er sein Amt dazu verwendet, eine von Bürgerinnen und Bürgern eingereichte Befragung im Voraus zu manipulieren. Ein derartiges Verhalten stellt eine schwere Verletzung der Amtspflichten dar und ist für einen Bürgermeister absolut nicht tragbar.

Zum Ergebnis der Befragung. Die Sabotage durch den Bürgermeister und der Boykott durch die Projektverfechter haben ein eindeutiges Ergebnis verhindert. Die Beteiligung war aber angesichts der Umstände beachtlich hoch und das Ergebnis ist eine deutliche Ablehnung des Projektes „Ried“, auch wenn man die Auswirkungen des Boykotts und des ausgeübten Drucks berücksichtigt. Bei einer fairen Abstimmung ohne 40%-Quorum ist von über 50% Beteiligung und einer klaren Mehrheit der Neinstimmen auszugehen. In Reischach steht das Ergebnis außer Zweifel: Berücksichtigt man auch nur die Stimmberechtigten, die gar nicht an der Befragung teilnehmen konnten, ist eine Mehrheit gegen das Projekt bereits unumstößlich. Das Ergebnis bestätigt jenes der selbstverwalteten Volksbefragung von 2008: Reischach war und ist mit klarer Mehrheit gegen das Projekt „Ried“. Wer das ignorieren will, muss die Verantwortung dafür übernehmen.

Die Vorgänge um die Volksbefragung am 7. November können für uns nicht ohne Folgen bleiben. Es handelt sich um einen schweren Vertrauensbruch, der uns dazu zwingt, unsere Haltung gegenüber der Ratsmehrheit zu überdenken. Der Bürgermeister hätte die Chance gehabt, mit einer fairen und korrekten Abwicklung der Volksbefragung einen Maßstab für direkte Demokratie in Südtirol zu setzen. Er hat es vorgezogen, die Ansprüche einer privaten Interessensgruppe zu bedienen und hat damit eine nachhaltige Schädigung des Klimas in der Gemeinde in Kauf genommen.

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