Sexten. Ortner schlägt Alarm

TZ online, 08.10.2013 – Es geht nicht nur um die Liftverbindung zwischen Helm und Rotwand – sondern vor allem um die geplante Skischaukel in Richtung Osttirol und Comelico. Die Gegner neuer Skipisten in Sexten und ihre Argumente. – von Silke Hinterwaldner

Für Peter Ortner ist eines ganz klar: Wenn man vom Bau der Skipisten in seinem Heimatort Sexten spricht, darf man nicht nur von der Verbindung zwischen den bestehenden Skigebieten Helm und Rotwand sprechen. Man muss auch sagen, dass es hier um weit mehr geht, nämlich um die ganz große Skischaukel, die Helm und Rotwand mit dem Comelico, mit Sillian und mit dem Haunold verbindet. „Denn nur vor diesem Hintergrund macht diese Investitionen Sinn“, erklärt der Obmann der Südtiroler Heimatpfleger.  -> zum Artikel

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8 Antworten auf Sexten. Ortner schlägt Alarm

  1. Der Südtiroler sagt:

    Vor einem Zusammenschluss mit Sillian warnt man schon lange. Die Gegner, die wirklich immer wieder die selben Argumente vorbringen versuchen die Sextner schon lange aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Wenn wir mit Sillian zusammenschließen, werden in Sexten die Lichter ausgehen. Dann hat man die Natur, mit der man hätte Sommertourismus betreiben können, für immer ruiniert und das für nix. Also ich kann nur ans Aufforsten der gerodeten Fläche appelieren!

  2. Edith sagt:

    In diesen letzten Tagen hört und liest man viel über die aus Menschenhand und –verstand verursachte Katastrophe von Vajont/Longarone. Morgen gedenkt man zum 50. Mal der 1.910 Opfer dieses gigantischen Staudammprojektes der Monopolgesellschaft SADE, das in den Augen der Verwalter und Ingenieure ein Riesengeschäft versprach. Die damalige Politik trieb Wasserkraftprojekte voran um ausreichend Energie für die neue Industrie in der Poebene zu gewinnen. Faschisten, die zur DC übergegangen waren, korrupte Geologen und andere hochgelobte Experten, alle der SADE angehörig, haben den Plan der größten Staumauer der Welt (!) ausgeklügelt und zwischen 1956 und 1963 umgesetzt.
    Die Gemeinde verkaufte Privatgrundstücke von Bürgern, obwohl sie gar nicht die rechtmäßige Besitzerin war und dazu noch, ohne die Bürger darüber zu informieren. So ging man damals mit den dortigen Bewohnern um. Illegales wurde legal gemacht.

    Die Baustelle wurde 1956 eröffnet, mit den Aushubarbeiten wurde 1957 ohne entsprechende Genehmigung begonnen. Die Bauzeit war gezeichnet von Gewalt und Willkür, Enteignungen von Häusern, gesetzeswidriger Grundbesetzung, ohne dass von den zuständigen Behörden irgendeine Reaktion zum Schutz der Eigentümer kam. Behörden, die den Urteilen von Geologen vertrauten, die auf der Liste der Lohnempfänger der SADE standen und den Protesten der Leute jedoch keine Bedeutung beimaßen, obwohl diese aus Kenntnis des Ortes und aus der historischen Erinnerung an Muren warnten: Der große Druck des Wassers würde die Hänge unterspülen und unstabil machen! Unbekümmert setzte die SADE ihre Arbeit fort und erhöhte sogar die Staumauer von den ursprünglich geplanten 200 auf mehr als 260 Meter, um das Fassungsvermögen zu vergrößern. Auch der Druck des Wassers auf die Hänge des Tales wurde damit vergrößert. Jene im Auftrag der SADE erstellten geologischen Gutachten, die die mangelnde Stabilität der Hänge bestätigten, wurden geflissentlich unter Verschluss gehalten. Und um die Proteste der Bewohner von Erto und Casso in Schach zu halten, die sich in einem eigenen Komitee organisiert hatten, wurde in Erto sogar eine Carabinieri-Station errichtet. (Hatten nicht irgendwo im Pustertal die Carabinieri plötzlich mehr zu tun?)

    Die SADE hatte aber nicht nur beste Beziehungen zu Politikern und Behörden, sondern kontrollierte auch die Berichterstattung des „Il Gazzettino“, der im Veneto und im Friaul schon damals meistgelesenen Tageszeitung. In der gesamten Angelegenheit war die Presse nicht überparteilich, im Gegenteil: die Gefahren des Bauwerkes wurden kleingeschrieben, die Ingenieurleistungen und der Fortschritt, den der Staudamm angeblich bringen würde, jedoch in höchsten Tönen gelobt. Der Damm war der höchste gewölbte Staudamm der Welt, eine ganze Nation war sich im Stolz über die großartige Leistung einig. Jene, die sich mit ganzer Kraft dem Projekt widersetzten, wurden systematisch verunglimpft. Die einzige Ausnahme bildete die kommunistische Tageszeitung „L’Unità“, die sich von Anfang an auf die Seite der protestierenden Bewohner von Erto und Casso stellte, nicht ohne Risiko: Die Journalistin Tina Merlin, die mit couragierter Vehemenz auf die Gefahr eines enormes Erdrutsches hingewiesen hatte, wurde wegen „Verbreitung tendenziöser, übertriebener Nachrichten, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu stören“ angezeigt! Am größten Staudamm der Welt gingen die Arbeiten freilich unbekümmert weiter.

    Die mahnenden Anzeichen der Katastrophe wurden ignoriert. Von den Hängen des Monte Toc löste sich beim Probe-Wassereinlauf 1960 eine beachtliche Mure und rutschte ins Wasser; oben am Hang bildet sich ein meterbreiter, mehr als zwei Kilometer langer Spalt. Da die dazu befragten Geologen eine weitere, große Mure als unausweichlich voraussagten, bauten die Projektanten einen Bypass-Kanal, um die zwei durch einen Erdrutsch entstehenden Beckenteile zu verbinden. Anscheinend fiel keinem ein, dass die Mure aufgrund ihrer Ausmaße eine enorme Flutwelle verursachen konnte.

    Die Arbeiten im Tal des Vajont wurden auch dann unvermindert fortgesetzt, als durch die Verstaatlichung Ende 1962 die Wasserkraftwerke der SADE und deren Personal an die neu gegründete ENEL übergingen. Mit der Übernahme wurde der italienische Staat in vollem Ausmaß mitverantwortlich für die Katastrophe, sei es durch die mangelnde Prüfung des Projektes, sei es als Betreiber und Verantwortlicher des Stausees. Und weit vorher schon durch die Finanzhilfe für den Größenwahn. Die Einfüllproben gingen weiter. Im April 1963 begann die dritte und letzte Probe: Die Risse wurden größer.

    Die Bewohner des Tales hörten immer häufiger unterirdisches Grollen und Erdstöße. „Experten“ und Behörden beschwichtigen und beruhigten mit einem „tutto sotto controllo!“ Die Beobachtungen aber zeigten deutlich, dass der gesamte Berghang in den Stausee hineinrutschte. Es war eben nichts unter Kontrolle: Wege, die nicht mehr passierbar waren, weil sie meterweit verrutschten, Klüfte im Hang, Warnungen wurden nach Rom und Venedig weitergeleitet, doch änderte sich an den Anweisungen nichts. Eine Möglichkeit hätte es gegeben, um der nahenden Katastrophe doch noch auszuweichen: Das Wasser abzulassen. Doch das angestaute Wasser wollte man nutzen, dafür hatte man den Damm schließlich gebaut. Auch der Bürgermeister von Longarone war besorgt über die eventuelle Notwendigkeit, viel Wasser auf einmal abzulassen. Wieder wurde beschwichtigt und beruhigt. Experten der SADE/ENEL selbst hatten jedoch die Gefährlichkeit bestätigt: Es gab Zugangsverbot zum See und als der Bürgermeister sich darüber hinwegsetzte, wurde er angezeigt. Zu Mittag des 9. Oktober konnten die Arbeiter des ENEL mit bloßem Auge beobachten, wie der Berg nach unten rutschte. Die Geschwindigkeit des Bergrutsches stieg. Man wusste von der Gefahr, denn der Bürgermeister von Erto und Casso wurde informiert, dass eine mehrere Dutzend Meter hohe Welle entstehen könnte. Das Wasser abgelassen hat man aber nicht.

    In der Nacht des 9. Oktober 1963, 22.39 Uhr, löste sich der vom Wasser untergrabene Monte Toc und stürzte in den See. Der Rest ist eine 50 Jahre andauernde tragische Geschichte.

    Wieso schreibe ich das eigentlich? Habe ich vielleicht das Thema verfehlt? Nein. Ich schreibe dies, weil ich sehr viele Parallelen zu Sexten herauskristallisieren konnte. Tina Merlin, die couragierte Journalistin, wurde ausgelacht, ins schlechte Licht gerückt und angezeigt, nur weil sie die Wahrheit nicht scheute. Irgendwann wurde sie freigesprochen. Davon haben die 1910 Menschenopfer aber nicht mehr profitiert.

    Ergeht es einigen Gegnern in Sexten nicht auch so ähnlich? Die Vorkommnisse, Skandale und Profitversprechen rund um den Helm lassen den Verdacht zu. Ich hoffe, dass man den Sextner-Helm-Rotwand-Comelico-Osttiroler-Größenwahn noch rechtzeitig stoppen kann. Wenn nicht, bleiben halt die Parallelen aufrecht. Zur Mahnung und zur Erkenntnis, dass man mit der Natur nicht scherzen soll.

    • Erd sagt:

      Kann mich auch gut an die Erzählungen meiner Großeltern erinnern, wie schrecklich dieser Dammbruch damals war.
      Natürlich kann man jetzt darüber streiten, ob dieses Unglück verhindert werden hätte können, den fast 2.000 Opfern wird es leider nicht mehr helfen.

      Ich möchte aber in diesem Fall auch die Überschwemmungen in diesem Sommer in Deutschland hinweisen. Hätten die Umweltschützer den Weiterbau des Schutzdammes zugelassen und nicht durch einen Protest verhindert, wäre auch viel, zum Glück meist nur Sachschaden, verhindert werden können.

      Schuldzuweisungen sind deshalb immer schwierig!

      Sie sprechen Tina Merlin an, soweit ich weiß, hat diese Journalistin immer sachlich berichtet, gewarnt und angeprangert, aber nie beleidigt.
      Das stört mich im Moment in Sexten, von beiden Seiten natürlich.
      Auch Herr Stauder und vor allem seine Frau, sparen in Ihren Leserbriefen oft nicht mit „Komplimenten“.
      Sicher ist Wahlwerbung auch wichtig, aber wenn ich auf der Seite der Grünen lese: Hans Peter Stauder wohnt in einem Holzhaus, musste ich schon etwas schmunzeln.

      • Jenny Lein sagt:

        Schuldzuweisungen sind in jedem Fall problematisch, da haben Sie vollkommen Recht.
        Nur eine Frage interessehalber: Welche Leserbriefe von Herrn Stauder und Frau Senfter meinen Sie?

        • Erd sagt:

          http://www.forum-bruneck.com/?p=16859

          Das wäre zum Beispiel einer dieser Leserbriefe. Vielen erscheint, dass vielleicht kleinlich, aber mich persönlich stört es sehr, wenn der Glaube mit einer Meinung bzw. Einstellung gleichgestellt wird.
          Aber wie gesagt, leider schenken sich beide Seite im Moment nichts. Es wäre doch viel sinnvoller, sachlich seine Meinung zu äußern und die natürlich auch oft verständlichen Emotionen, etwas einzuschränken.
          Ein bisschen Frieden, sang doch Nicole schon vor vielen Jahren :-)

      • Edith sagt:

        @ Erd
        Gegen Überschwemmungen kann man sich nicht immer und unter allen Umständen schützen, aber man kann eine Menge tun, um die persönliche Überschwemmungsgefahr gering zu halten. Beispielsweise könnte man sich, bevor man sich ein Haus oder Grundstück anschafft, bei den zuständigen Behörden und bei der einheimischen Bevölkerung nach früheren Überschwemmungen im Bereich des Grundstücks erkundigen. Zusätzlich wäre es nützlich, wenn man sich topografische Karten der Umgebung anschaut. Flurnamen geben häufig Auskunft darüber, ob die Grundstücke zu Überschwemmungen neigen. Hier ein paar Beispiele: Ried, Loch, Lahne, Schwemme, Gisse, Aue, Auwald, Moos, Moor, Fenn, Fluh, Bruch u.v.a.m. Sie wissen, was ich dabei anspiele.

        • Erd sagt:

          Da gebe ich Ihnen Recht, aber das Projekt Skiverbindung Helm- Rotwand hat diese Gutachten doch erhalten, oder nicht?

  3. Sextner sagt:

    Zitat Er erinnert an das ferne Jahr 1997 als die Sextner Bevölkerung um die Meinung gefragt worden war. Damals haben die Gegner der Skipisten diese Umfrage knapp gewonnen.

    Sehr sehr treffend!!