Sexten. PZ: Das Baby in Querlage

Pustertaler Zeitung 17/30.08.2013 – Die skitechnische Verbindung von Helm und Rotwand ist eine Geschichte, die noch auf die Amtszeit von Bürgermeister Willi Rainer zurückreicht, also befinden wir uns in den späteren Neunzigerjahren. Hinsichtlich des Zusammenschlusses wurde damals  eine Volksbefragung durchgeführt. Nur drei Stimmen gaben den Ausschlag zugunsten der Gegner. Eine erneute Volksbefragung lehnte der heute amtierende Bürgermeister, Fritz Egarter, ab. Das nehmen die Projektgegner wiederum zum Anlass, die Behauptung der örtlichen Tourismusmanager, wonach 90 Prozent der Sextner für den Zusammenschluss seien, als völlig aus der Luft gegriffen und ohne jedweden Realitätsbezug hinzustellen.

„Ich und meine Frau gingen am 9. August den Waldweg hinter dem HennStoll und jenseits des Bachls hoch, als uns ein Arbeiter in den Weg trat und zur Umkehr aufforderte, weil in unmittelbarer Nähe Rodungen durchgeführt würden. Auf die Frage, warum – falls dem so sei – das Gebiet denn nicht ordnungsgemäß abgesperrt würde, meinte der Mann, vor Beginn der effektiven Schlägerungen würde man das schon noch rechtzeitig erledigen.“

Das Ehepaar aus Carpi erzählte uns diese Begebenheit, am 12. August, am Tatort in Sexten. In Anbetracht des mittlerweile abgeholzten Waldstreifens platzte den beiden Urlaubern der Kragen: „Seit 25 Jahren verbringen wir unseren Urlaub im Hochpustertal, doch das war das letzte Mal. Wir kommen bestimmt nicht mehr hierher“, beteuerten sie. So ein Frevel am Wald und der Natur sei unerträglich.

Zwei ortsansässige Mountainbiker, Amhof und Alber, die zufällig des Weges kamen und sich der Gruppe der Beobachter anschlossen, versuchten die empörten Gäste von der Wichtigkeit der Initiative zu überzeugen, doch war alles Bemühen umsonst. An der Kreuzbergpassstraße hielten fortwährend Radfahrer und Autos und starrten auf den gegenüberliegenden Hang, wo die Motoren schwerer Erbewegungsmaschinen rumorten, wo Baumsägen die Stämme von den Ästen befreiten und die kahl geschorenen Bäume daraufhin nach Längen für den Abtransport aufteilten. Ein hastiges Treiben, ganz so, als lauerte von irgendwo her Gefahr. Dies traf in der Tat zu. Denn um 11,50 Uhr des 12. Augusts vermeldete der mittlerweile ebenfalls vor Ort eingetroffene Widerstandskämpfer, Hans Peter Stauder, der Präsident des Bozner Verwaltungsgerichts hätte die sofortige Aussetzung der Arbeiten verfügt. Er habe zugleich einen ersten Verhandlungstermin für 24. September festgelegt.

Die Nachricht war augenscheinlich bis zu den Pistenbauern vorgedrungen, denn plötzlich verstummten die Motoren, die Maschinenführer schwangen sich aus dem Sattel ihres Stahlrosses, schlenderten den steilen Hang hinab zum Henn-Stoll, wo sie noch zu Mittag aßen, bevor sie ins Basislager ihres Expeditionsführers zurückkehrten. Sie und ihre Chefs waren über die „völlig unerwartete“ Entwicklung der Dinge maßlos enttäuscht und verärgert. Franz Wieser, der Chef des gleichnamigen Bagger-Unternehmens, drohte mit der Überstellung einiger Dutzend Arbeiter in die Lohnausgleichskasse. Soll er später auch getan haben. Mark Winkler, der Geschäftsführer der „Sexten Dolomiten AG“. bezifferte den bislang erlittenen Schaden mit 1,5 Mio. So der heurige Zusammenschluss Helm-Rotwand tatsächlich auf dem Gerichtswege verhindert würde, betrüge der Schaden ein Vielfaches von den genannten 1,5 Mio. Euro, markierte der Mark.

Ob der Präsident des Verwaltungsgerichtes den verordneten Baustopp noch vor dem ersten Verhandlungstag am 24. September zurücknehmen wird? Die Gesellschaft und deren Rechtsbeistand bauen darauf. Die Projektgegner und deren Anwälte schätzen die Chancen auf einen Widerruf als äußerst gering ein. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil der Auftraggeber sich einen Großteil des Schlamassels durch den überstürzten Arbeitsbeginn selbst eingebrockt und ergo verantwortlich zu tragen hat. Zur Erinnerung: Die Sturmabteilung der Pistengurus fuhr übers Wochenende vom 10. und 11. August die komplette Holzfällerarmada auf, die Südtirol aufzubieten hat. Niemand hat die Mannen gezählt. In Sexten wusste man allerdings von über 100 starken, teils bärtigen Individuen zu berichten, die auf ihren Vibram-Sohlen nacheinander in den Wald eingetaucht seien. Das klingt durchaus glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass in zwei Tagen zwischen 10 und 12 Hektar Wald abgeholzt wurden.

Überfallartige Blitzangriffe sind in diesem Geschäft nicht neu. Der Kronplatz weiß davon ein Lied zu singen, wo man beispielsweise beim Bau der Riedpiste vor lauter Hast eine Schneise abseits der gedachten Trasse in den Wald geschlagen hat. Man hat sich in der Folge artig und reumütig dafür entschuldigt. Wiedergutmachung wurde versprochen. Aber so schnell wachsen Bäume bekanntlich nicht, weswegen die Wunde noch lange sichtbar sein wird, es sei denn, man ändert die Zweckbestimmung und macht eine Piste draus, etwa nach dem Motto: Leise in die Schneise.

Wie geht’s weiter? Während die Umwelt- und Heimatschützer, der Alpenverein, diverse Bürgerinitiativen erbitterten Widerstand gegen die Verwirklichung des geplanten Skikarussells leisten, kämpft die Betreibergesellschaft mit Franz Senfter und Kurt Holzer an der Spitze, unterstützt von den Tourismusvereinen des Hochpustertales, den Helmgemeinden Innichen und Sexten, den Wirtschaftsverbänden HGV und LVH sowie dem Wirtschaftsring mit Nachdruck für die prompte Umsetzung des Projektes. Um der Sache noch mehr Gewicht zu verleihen, organisiert die Sexten Dolomiten AG am 31. August, 15 Uhr, beim Haus Sexten eine Protestkundgebung, die sich letztendlich gegen die „Projekt-Verhinderer“ richtet.

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