Sepp Kusstatscher: ,,Mir fehlt die Begeisterung“, Dolomiten-Interview, 26.03.2013

Interview: Nach 40 Jahren verlässt Sepp Kusstatscher die politische Bühne-Sein Wunsch für Südtirol:Mehr Demokratie

Dolomiten, 26 März 2013

Bozen (ih). Nach 40 Jahren verlässt Sepp Kusstatscher die politische Bühne. Er spüre die notwendige Begeisterung und Leidenschaft nicht mehr, sagt er im ,,Dolomiten“ -Interview. Für Südtirols Zukunft wünscht er sich mehr Demokratie und weniger Autoritätsgläubigkeit.

,,Dolomiten“: Sie verlassen die politische Bühne, warum?

Sepp Kusstastscher: Rechnet man meine Zeit als Vorsitzender der Südtiroler HochschülerInnenschaft mit, dann war ich 40 Jahre politisch aktiv. Das ist genug, nun sollen junge Leute ans Ruder. Zudem braucht es für die Politik Leidenschaft, Schwung und Begeisterung. Die spüre ich nicht mehr.

,,D“: Einen absoluten Ruhestand wird es aber nicht geben?

Kusstatscher: Ich kann sagen, dass ich zwischen Stress und Langeweile das rechte Maß gefunden habe. Ich engagiere mich nach wie vor im europäischen Netzwerk für ein bedingsloses Grundeinkommen und bin – vor allem außerhalb Südtirols – als Referent gefragt.

,,D“: Sie haben in Ihrer langen politischen Laufbahn einige Funktionen bekleidet. Welche war im Rückblick die schönste?

Kusstatscher: Im Nachhinein: meine Zeit als Bürgermeister von Villanders. Da war die Gestaltungsmöglichkeiten am größten. Im EU -Parlament dagegen ist der Einfluss schon sehr klein.

,,D“: Das heißt aber auch, Sie sind eigentlich für die Opposition geschaffen?

Kusstatscher: Opposition ist etwas sehr Notwendiges. Ich finde eine gewisse Dialektik wichtig und wertvoll. Persönlich würde ich aber tatsächlich lieber gestalten. Aber ich habe auch so einige Punkte zum Angeben gesammelt. We fleißig ist, ist eben auch vor Erfolge nie sicher.

,,D“: Ihr größter politischer Erfolg?

Kusstatscher: Ich denke, ich habe als Vorsitzender der SVP- Arbeitnehmer Einiges angestoßen und der Sammelpartei einen sozialdemokratischen Anstrich verpasst.

,,D“: Mit Gestaltungswillen ungern in der Opposition und den größten politischen Erfolg in der SVP- wie sehen Sie heute den Wechsel zu den Grünen?

Kusstatscher: Ich habe ihn nie bereut, wenn Sie das meinen. Ich hätte durchaus in der SVP bleiben können, sie ist ja Sammelpartei. Andererseits war klar, die Arbeitnehmer werden dort mit Brotsamen abgespeist. Insbesondere nach 1993 wurden die Arbeitnehmer von Dunwalder, der immer zentralistischer und autoritärer wurde, regelrecht ausgegrenzt.

,,D“: Mit einem Blick in die Zukunft – was wünschen Sie sich für Südtirol?

Kusstatscher: Mehr Demokratie, direkt und indirekt. Das System Südtirol, wonach nur das wird, wer die richtigen Freunde hat, ist zu kritisieren. ,,Echter Patriotismus heißt Heimat ermöglichen, nicht abschotten und abtrennen“ Und ein Ende der Autoritätsgläubigkeit, mündige Bürger, die ewig gleiche Leier von mehr Wachstum, mehr Konsum und mehr Wegwerfen nicht mehr nachbeten. Zudem hoffe ich, dass man in der politischen Klasse von der dumpf -nationalen Radikalität wegkommt. Denn das ist alles andere als echte Heimatliebe.

,D“: Wie sieht denn echter Patriotismus aus?

Kusstatscher: Patriotismus heißt Selbstbestimmung für jeden einzelnen, so dass er leben kann wie und wo er will. Patriotismus heißt Heimat ermöglichen, nicht sich abschotten und abtrennen. Zu glauben,wir lebten alleine auf einer Insel ohne Zusammenhänge, das ist einfach naiv.

 

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