Umfragen sind verheerend (SüdtirolNews, 20.02.13)

SVP zittert um Einzug ins Abgeordnetenhaus
Überschattet von einer Reihe von Skandalen wählen auch die Südtiroler bei der italienischen Parlamentswahl am Sonntag und Montag ihre Abgeordneten in Rom. Dabei muss die Südtiroler Volkspartei (SVP) mit herben Verlusten rechnen und erstmals sogar darum zittern, überhaupt Vertreter ins Abgeordnetenhaus schicken zu können. Der Ausgang der Wahl ist zudem richtungsweisend für die Südtiroler Landtagswahlen im Herbst. Dabei geht es nicht zuletzt um die überfällige Entscheidung über die Nachfolge des seit 1989 regierenden Landeshauptmanns Luis Durnwalder.
Die Umfragen sind für die seit über 60 Jahren absolut regierende Minderheitenpartei verheerend. Die SVP steht nach der Betrugsaffäre um die Landesenergiegesellschaft SEL, die im vergangenen Jahr zum Rücktritt des zuständigen Landesrates Michl Laimer führte, massiv unter Druck. Hinzu kommen Vorwürfen gegen den populären Landeshauptmann Luis Durnwalder wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Verwendung seines Sonderfonds. Flügelkämpfe erschüttern zusätzlich das Vertrauen in die bröckelnde Sammelpartei.
In einer Umfrage der Wochenzeitung „FF“ lag die Volkspartei zuletzt nur noch knapp über 40 Prozent, laut den Prognosen des Market-Instituts im Auftrag des Tagblatts „Dolomiten“ könnte die SVP bei den Parlamentswahlen gar nur auf 32 Prozent kommen. Damit würde die Partei nicht die für Minderheitsparteien notwendige 20-Prozent-Hürde in der Region Trentino-Südtirol – was 40 Prozent in Südtirol bedeutet – schaffen. In diesem Fall könnte Südtirol erstmals seit 1948 nicht in der Abgeordnetenkammer in Rom vertreten sein, nur im Senat. Bisher hält die SVP zwei Abgeordnete in der Kammer, drei im Senat.
Das Ergebnis der Parlamentswahl hat zudem richtungsweisende Auswirkungen auf die anstehende Landtagswahl Ende Oktober, erklärt der Südtiroler Politologe an der Universität Innsbruck, Günther Pallaver, gegenüber der APA. „Sollte die SVP den Einzug in die Abgeordnetenkammer nicht schaffen, würde es wohl einen Rechtsruck innerhalb der Partei geben.“ Auch bei der Entscheidung für die Nachfolge des scheidenden Landeshauptmanns Luis Durnwalder würde der rechte Parteiflügel Oberwasser bekommen, so Pallaver. Nach der Parlamentswahl plant die SVP Vorwahlen zur Festlegung ihres Landehauptmann-Kandidaten. Spitzenreiter sind in Umfragen derzeit der Parteiobmann und Landeshauptmannstellvertreter Richard Theiner und Gemeinden-Präsident Arno Kompatscher, gefolgt von der scheidenden Senatorin Helga Thaler Außerhofer.
Im Falle einer Wahlschlappe würde Parteiobmann Theiner deutlich geschwächt und damit auch die langsame Öffnung der Partei in Bezug auf das Zusammenleben mit den Italienern, meint Pallaver. Dagegen könnte sich jener Flügel um Thaler Außerhofer durchsetzen, der dem aktuellen Wahlpakt der SVP mit der italienischen Mitte-Links-Partei Partito Democratico (PD) äußert kritisch gegenübersteht. Kritisch beäugt wird in Südtirol auch der perfekt zweisprachige gemeinsame SVP-PD Kandidat Francesco Palermo im Senatswahlkreis Bozen-Unterland, in dem die SVP auf italienische Stimmen angewiesen ist. Der parteilose Verfassungs- und Autonomieexperte steht für eine moderne Interpretation der Autonomie und sieht den ethnischen Proporz durchaus kritisch. Rechten ist die neue Offenheit zur anderen Sprachgruppe ein Dorn im Auge.
Ein weiteres Novum bei der Parlamentswahl in wenigen Tagen ist, dass erstmals ein Südtiroler Abgeordneter ohne SVP-Ticket ins römische Parlament einziehen könnte. Der grüne Journalist Florian Kronbichler kandidiert für die italienweite Linkspartei SEL (Linke, Umwelt, Freiheit). Pallaver traut ihm durchaus realistische Chancen zu. Aber auch die SVP werde es wegen eines „Mitleidseffekts“ angesichts der desaströsen Umfragewerte und der Furcht, gar keine Vertreter der deutschsprachigen Minderheit mehr in Rom zu haben, schließlich wohl ins Parlament schaffen, meint er. „Die Rechnung für ihre Politik der letzten Jahre werden die Wähler der SVP erst im Herbst bei den Landtagswahlen präsentieren“, so Pallaver.
Der endgültige Verlust der absoluten Mehrheit gilt dann als so gut wie sicher. Profitieren können von dem Absturz der jahrzehntelang regierenden Volkspartei die Freiheitlichen. In Umfragen kommen die von der 38-jährigen Ulli Mair geführten Südtiroler Blauen auf fast 22 Prozent. Das bedeutet, dass sie ihre derzeitigen fünf Mandate auf acht aufstocken könnte.
Von: jeg/chg

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